Vyre - Weltformel

Review

Nach 2011 ging es noch ganz schnell: Ursprünglich waren die Bandgründer von VYRE bei GEIST (den heutigen EIS) beschäftigt, verließen die Band aber und gründeten ihr neues, auf Science Fiction und Avantgarde ausgerichtetes Projekt. 2013 und 2014 folgten die beiden Teile des Doppelalbums „The Initial Frontier“. Und dann war es einige Jahre still um die Band – erst 2018 gab es Neuigkeiten zu vernehmen, und zwar in Form des dritten Albums „Weltformel“. Es ist festzustellen: Dass sich VYRE damit so viel Zeit gelassen haben, lässt sich heraushören, denn das Album ist wahnsinnig detailreich und komplex. Und gleichzeitig: VYRE haben ihren Stil grundlegend beibehalten, und doch gibt es einige Unterschiede zwischen „Weltformel“ und den ersten beiden Alben.

VYRE zeigen sich sperriger als zuvor

Irgendwie vollbringen die Bielefelder nämlich das Kunststück, viele Elemente zu nutzen, die im Metal normalerweise immer dann herangezogen werden, wenn man seine Songs eingängiger gestalten möchte (zum Beispiel Streichinstrumente und Klargesang – beides auch schon auf den ersten zwei Alben zu hören, aber nicht in dem Umfang wie auf „Weltformel“), gleichzeitig aber sehr viel sperriger zu klingen, als noch in den Jahren 2013 und 2014. Denn während die „The Initial Frontier“-Alben noch relativ umstandslos in die Gehörgänge glitten und sich dort bald festklammerten, macht es „Weltformel“ seinen Hörern schwierig. Die ersten zwei, drei Durchläufe fallen gar enttäuschend aus, denn von der sofort packenden Seite solcher älteren Songs à la „The Initial Frontier“, „Miasma“, „Diabolum Ex Machina“ oder „Neutronenstern“ ist bei VYRE anno 2018 wenig zu hören, wenig bleibt zunächst hängen, einen Hit gibt es auf dem Album (zunächst) nicht.

Die „Weltformel“ muss sich entfalten

Nein, die „Weltformel“ braucht ihre Zeit, um sich zu entfalten. Aber dann, aber dann: Während man noch staunt, wie einem bei den ersten Malen noch die großartigen Streicher in „Shadow Biosphere“ entgangen sein können, schraubt sich bereits „Life Decoded“ mit seinen eindringlichen Gesängen, Streichern und seiner weinenden Leadgitarre ins Bewusstsein. Damit sind nur die beiden ersten Tracks des Albums genannt, aber ähnlich geht es weiter: Jedes der sieben Stücke der „Weltformel“ hat ein, zwei, drei wirklich eindringliche Momente, die jeden der sieben Tracks zu einem Besonderen machen. Das gilt übrigens für die fünf Metaltracks genauso wie für die beiden Ambient-/Avantgarde-/Industrial-lastigen Tracks „Alles auf Ende“ und „The Hitch (We Are Not Small“).

Ein Kunststück!

Das Album nimmt eben das Prinzip der titelgebenden Weltformel auf, also dem (bisher natürlich rein theoretischen) mathematisch-physikalischen Versuch, alle bekannten Theorien in eine einzige, welterklärende Formel zu vereinigen. VYRE starten auf „Weltformel“ den Versuch, Eingängigkeit und Komplexität, Avantgarde und experimentelle Freigeistigkeit mit Hörbarkeit und – im weiteren Sinne – Hits zu vereinbaren. Während an diesem Versuch so manche Band scheitert und den Kontrast dieser verschiedenen Herangehensweisen an Musik so tief wirken lässt wie den zwischen Relativitäts- und Quantentheorie, schlagen VYRE der Unvereinbarkeit ein Schnippchen und legen dieses beinahe irrwitzige Album hin, das sich als cooles Sci-Fi-Metal-Album für Menschen, die Musik gerne einfach genießen, genauso anbietet wie als intelligentes Stück Musik für Fans von Nachdenker-Mucke. Obwohl „Weltformel“ anfangs eben eine ganze Menge Geduld fordert, wenn man mit den Erwartungen herangeht, ein weiteres Album wie die „The Initial Frontier“-Teile zu hören.

30.06.2018
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