



Italienischer Metal neigt ja dazu, von der wohl frisierten und theatralischen Sorte zu sein. Nicht, dass damit etwas falsch wäre, aber nur zu oft belegen italienische Metal-Bands, spezifisch jene im Power Metal-Sektor oder in diversen Symphonic-Variationen, dieses Klischee. Es gibt natürlich Ausnahmen. HELSLAVE aus Rom beispielsweise spielen einen recht nah und authentisch an ENTOMBED ausgerichteten, herrlich schwefligen Death Metal. Und die hier gegenständlichen VULTURES VENGEANCE, ebenfalls aus Rom, spielen einen epischen Metal, der jedoch nicht durch sauberen Heldenmut oder opernartiger Melodramatik und mehr durch erfrischend ungewaschen und ungekämmt klingende Waghalsigkeit auf sich Aufmerksam macht.
Gut Ding will Weile haben
Die Herren sind eigentlich schon eine ganze Weile unterwegs. Gegründet um 2009 herum, veröffentlichen sie mit „Dust Age“ jedoch gerade mal ihr zweites Vollzeitalbum. Das Debütalbum „The Knightlore“ erschien erst 2019, während „Dust Age“ dann eigentlich bereits 2020 eingetütet worden ist. Dann verschob sich die Veröffentlichung allerdings, einerseits aus offensichtlichen Gründen, andererseits, weil bis auf Sänger/Gitarrist Tony B. Steele das gesamte Lineup um die Zeit aus der Band heraus rotierte. Tatsächlich haben VULTURES VENGEANCE einen beachtlichen Verschleiß, was Bandmitglieder betrifft; trotzdem ist lt. Pressetext der Großteil von „Dust Age“ mit Ausnahme des Schlagzeugs mit dem vormaligen Lineup aufgenommen worden.
Das erst einmal zur turbulenten Geschichte hinter „Dust Age“, wie klingt das Album allerdings nun? Der Sound wird im Waschzettel u. a. mit MANILLA ROAD, frühen MANOWAR und CIRITH UNGOL verglichen und das kann man im Grunde so stehen lassen, auch wenn es im Sound der Römer gerne mal etwas poltriger und grobkantiger zugeht. Das bekommt man direkt im eröffnenden Titeltrack zu spüren, der sogleich auch die haarigen Muskeln der Band zur Schau stellt. Die agilen Gitarren, die mit leichtem NWoBHM-Flair daher kommen, züngeln sich lecker durch den Song, während Frontkrächzer Steele, der so ein bisschen an einen jungen Hansi Kürsch gemahnt, eine Mitsinghook vom Allerfeinsten aufs Parkett legt. Das ganze wird in einen leicht grobgelenk wirkenden Rhythmus eingefasst, der aber zugleich etwas seltsam Charmantes hat.
VULTURES VENGEANCE vermischen die Klassiker des US-amerikanischen Epic Metals mit britischen Einflüssen
„Queen Of The Last Light“ und „Those Who Sold The World“ legen in sämtlichen Punkten, allen voran aber in Sachen Epik, noch eine Schippe drauf. Speziell Erstgenanntes manifestiert sich als frühes, großes Highlight der Platte. Ebenfalls kristallisiert sich spätestens hier die Geheimwaffe der Italiener heraus: ein fein aufgetragener Hauch Melancholie, der vor allem in den Hooks wahre Wunder wirkt. Die antiquiert, geradezu analog klingende Produktion liefert praktisch die gesamte Beinarbeit, um dieses spezielle, schwer in Worte zu fassende Feeling glaubhaft zu verkaufen. Und obendrauf zelebrieren die Italiener auch nicht den Kriegerkult ohne Sinn und Verstand, sondern verleihen ihm auf „Dust Age“ sogar einen durchaus reflektierten, thematischen Bezug zur Moderne.
Diese Stärken, Epik, NWoBHM-Feingefühl und die pure Leidenschaft, tragen VULTURES VENGEANCE im Grunde durch das gesamte Album, von den flotteren Krachern wie dem Titeltrack hin zu den monumentaleren Stampfern á la „City Of A Thousand Blades“, ein Song übrigens, der scheinbar in die Anfangstage der Band zurückdatiert. Und Details wie die leckeren Palm Mute-Gitarren beispielsweise in „The Exiled“, die Erinnerungen an MAIDENs „The Duelists“ wachwerden lassen, legen die gute Spielfertigkeit der Band offen. Diese Parts werden jedoch nicht inflationär eingesetzt, Abwechslung spielt hier eine große Rolle. Somit hält die Band das Vergnügen, das man mit „Dust Age“ ohne Zweifel haben wird, durchgehend frisch.
Und dank einer Geheimzutat geht die Rechnung auf „Dust Age“ voll auf
Auf „Dust Age“ fliegen Songs, die laut Uhr im Schnitt an die fünf Minuten auf die selbige bringen, vorbei, als wären sie gerade mal halb so lang. Es scheint, als würden VULTURES VENGEANCE ihre songschreiberischen Layer gerade komplex genug übereinander schichten, dass die hieraus entstehenden Stücke immer noch zugänglich und schlüssig geraten, aber dennoch durch ihre Vielschichtigkeit interessant gehalten werden. Das ist ein Drahtseilakt, den man erst einmal meistern muss – zugegeben: Bei „The Foul Mighty Temple Of Man“ schwächelt die Qualitätskurve ein bisschen. Aber drum herum ist „Dust Age“ ein feines, leidenschaftlich inszeniertes Epic Metal-Scheibchen geworden, mit dem die Römer zurecht ihren Einstand bei High Roller Records feiern.
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