Vreid - V
Review
Ganz kurz am Beginn des Openers „Arche“ könnte es mit THE CULTs „The Phoenix“ weitergehen. Ein Thrashriff und eine Stakkatomelodie hämmern in den Song hinein, welcher Sture Dingsøyrs garstige Vocals aufbietet, welche noch weit biestiger tönen als zuletzt. „The Sound Of Emptiness…“ faucht Sture, dann setzt es ein Break, melancholisch-nordische Schnitterklangwelten entführen ins schwarze Schneetreiben. Dann ein Solo. SATAN zu Zeiten von „Who Dies Wins“ stehen Pate für die Wahnsinns-Gitarrenorgie, welche vollkommen untypisch ist für Black Metal und welche sich entfaltet wie eine Zauberblume, auffächert wie ein Schwarm Spitfires kurz vor der „Pitch Black Attack“. Die im Auditorium verweilenden DIAMOND HEAD freuen sich, so etwas haben sie seit „Am I Evil“ nicht gehört. Und das stählern-postrockige Finale zeigt, dass wir es im neuen Album „V“ der Norweger VREID mit komplexen Arrangements und facettenreichem Songwriting zu tun haben.
„Blood Eagle“ erinnert an WINDIR, Tragik, Epik, einsames Nordland sind Programm. Die Melodie im Hintergrund, sie könnte von Valfar komponiert sein. Übrigens spielen VREID ja jetzt in reiner WINDIR-Besetzung, Gitarrist Ese wurde durch Stian „Strom“ Bakketeig ersetzt, und das merkt man. Die atmosphärische Passage mit den hellen Leads zeigt, dass VREID sich weniger am Black’n’Roll orientieren, sondern eher in Bereichen des harten traditionellen Metals, des Thrashs und des kratzigen Black Metals kombiniert mit der Melancholie von WINDIR bewegen. Die Songs sind härter, reduzierter und DENNOCH komplexer geworden. Die gemeine Sequenz in der Mitte von „Wolverine Bastards“ erinnert an verzweifelte SATYRICON einst in den Neunzigern. Fein, wenn diese Band so unnachahmlich Fahrt aufnimmt: Das ist ganz eigen, typisch VREID, mitten im Song in den Jagdgalopp zu verfallen, um Spannung und Ausdruck zuzuspitzen.
Sperriger dann „The Sound Of The River“, welches mit allerlei Tempiwechsel und atmosphärischem Mittelteil aufwartet. Der archaische Gesang tönt hier sehr gemein. Kontrastreich und umtriebig werden die feinen, verführerischen zweistimmigen Klargesänge eingeflochten, eine Art dunkler Folklore, könnte man sagen. „Fire On The Mountain“ zollt VREIDs Vorliebe für harte METALLICA den nötigen Respekt. „Whiplash“ und „Fight Fire With Fire“ werden gekonnt zitiert, es wird gesägt, dass die Fichten knicken. Auch in diesem Track setzen die Norweger erneut auf einen überraschend platzierten stillen Mittelpart: flächige Sounds wabern um uns herum, wunderschöne heroische (und dabei volkommen unpeinliche!) Klargesänge inmitten feiner Sogndal-WINDIR Gitarrenläufe bestimmen das Hörbild. Etwas erinnert der Song auch an epische IMMORTAL, wenn sie in „Blashyrk“ die Äxte kreisen lassen.
Mit dem überlangen und daher wie gewohnt in der Mitte platzierten „The Others And The Look“ erzeugen unsere Nordmänner wohlige Schauer der Verzückung. Oder ist es angespannt-wolllüstiges Schaudern? Orgeln nach Art von DEEP PURPLE, akustische Breaks, eine treibende Strophenphase, phantastische Siebziger-Klargesänge und das etwas unheilvoll ackernde Schlagzeug, das uns immer an die Situation der Gefahr im Cockpit unserer Spitfires erinnert; das alles kulminiert im Dogfight am Ende des Songs, wenn munter einige 109’er in den wie ein Höllenschlund vor uns liegenden Fjord purzeln, einen dünnen Streifen Rauch hinter sich herziehend, am Horizont geöffnete Fallschirme, wir nicken unserem Geschwaderführer lässig zu, er und seine Focke Wulf-Beutemaschine sind unbesiegbar, wir wissen es seit langem.
„Slave“ tönt voll, die sanften voll klingenden Vocals lassen Ruhe einkehren, eine Gefechtspause; die Stille implodiert, VREID hypnotisieren wie Hohepriester und setzen auf die Akzente von Laut-Leise-Dynamik. Rhythmische Schlachtendrums schärfen unseren Instinkt. „Welcome To The Asylum“ erfreut mit Speed, es wird wieder Fahrt aufgenommen, Propeller volle Drehzahl, Gebrülle, Armageddon, die Basslinie tuckert modern, tiefgelegt, Drumgeklopfe um uns herum, es scheppert, Einschläge aller Orten, schlechte Laune, die 109 vor uns strauchelt, trudelt, kreiselt zu Boden, der unausweichliche Fallschirm, unten das Empfangskomitee… Und wieder setzt es ein jubilierendes Solo, es ist die glückliche Heimkehr, die routinierte Rolle über dem Flugfeld, ein Abkippen über den linken Flügel, die den Sieg verkündet. Programmatisch, doch vom Titel her zu pessimistisch erklingt sodann „Then We Die“, ein letztes Gefecht, Valfar in seiner Hurricane auf drei Uhr, nicht alle werden es überstehen, möglicherweise; die Anzahl der silbernen Wespen ist zu groß. Doch leicht haben es die Invasoren nicht. Loopings, Kurbelei, Dogfights, Kondensstreifen, Ellipsen, Geringel am mit Wolken verhangenen Himmel. Vocals mit trockenem Hall, brettharte Rhythmusgitarren, sägende Leads in Chorusnähe und aggressives Gefauche führen in das herrlich-metallische Solo, wir fächern professionell auf, der Schwarm verteilt sich, zeichnet ein großes Herz ans Firmament, zieht hinunter in die Wolken… Und die Götter des Windes, des Meeres und des Landes, sie sind mit uns, die Eroberer haben genug, ziehen sich zurück.
In den Worten des Kollegen OldGhost: „Black’n’Roll findet weniger statt, dafür viel mehr WINDIR-Anleihen als früher, aber hinter- statt plakativ vordergründig, man muss die Bandhistorie schon kennen. Und über’s ganze Alben geilste 80er Heavy Metal-Gitarrensoli, die sind vielleicht sogar das auffälligste Merkmal des Albums. Und die grandiosen Melodien in den oft mehrstimmigen klaren Gesangsparts.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
(In dieses Review zum neuen VREID-Album „V“ wurden zahlreiche Anregungen, Anmerkungen, Erläuterungen und Ergänzungen des Kollegen OldGhost integriert. Thanks Oldboy!)