VREID enttäuschen nie: Die Norweger werden ihrem Namen meist gerecht und wissen immer, dass man zwar aufbrausend sein kann, aber zwischendurch auch immer eine stilvolle Pause von Nöten ist. VREID sind sozusagen der Mörder im Nadelstreifenanzug über weißem Hemd mit gestärktem Kragen – im richtigen Moment brettern sie brutal auf ihr Opfer ein, präsentieren sich aber auch immer wieder elegant, kreativ und stilvoll. Vorbei scheinen die Zeiten, als man sich vollends einer Platte widmen konnte. Auch VREID überzeugen 2015 sicherlich mit anderen Stärken als noch zu „I Krig“-Zeiten, aber sie überzeugen und zwar komplett. Nehmt euch die Zeit, den Trip zu genießen, denn es lohnt sich.
Von gestern über heute nach morgen
Gerade in den symphonischen Momenten klingen VREID enorm altmodisch im positiven Sinne, pur nach den Neunzigerjahren, die den Black Metal so maßgeblich geprägt haben. Wenn das Quartett aber mit Lo-Fi-Elementen in „Geitaskadl“ einsteigt oder in „Når Byane Brenn“ dunkle Truppen einmarschieren lässt, die mehr nach Sergei Sergejewitsch Prokofjew klingen, als nach Black Metal, dann merkt man, dass eine stetige Weiterentwicklung stattfindet. Riecht also stark nach oldschool, ist aber immer einen Schritt weiter gedacht. Das Gekeife von Sture Dingsøyr ist allerdings als knarzig-urig zu bezeichnen, zerschneidet jede noch so dichte Riffwand und gibt „Sólverv“ das gewisse Etwas. Auch in gemäßigten Momenten – klassischen Black’n’Roll gibt es aber eigentlich nicht mehr zu hören – behält er stets die Überhand und verleiht jeder so noch scheinbar lieblichen Melodie die nötige Kälte, friert sie förmlich ein. „Sólverv“ profitiert noch dazu von einem erstklassigen und glasklaren Sound. Warm genug, um Harmonien wirken zu lassen und zum Glühen zu bringen. Aber gleichermaßen kalt genug, um gezielte Trommelschläge fast starr abzubilden und Sauserei über das Griffbrett dagegen in vollem Glanz aufzublättern.
Wenn Musik zu Bildern wird
VREID bekannten sich schon vor einigen Jahren zur nicht wegzudiskutierenden Verbindung von Punk und Black Metal. Der Opener „Haust“ fällt dahingehend mit der Tür ins Haus, schunkelt den Hörer gemächlich in die erste Etappe der Platte und zerschlägt Bierflaschen an miefigen Kellerwänden. Das spätere „Storm Frå Vest“ zeigt beispiellos, wie diese beiden Genres gekonnt zu einem verschmelzen, und ejakuliert mit einem herrlichen Gitarrensolo. Mit dem epischen „Fridom Med Daudens Klang“ endet die Reise: Trommeln führen in einen mantrischen Dark-Wave-Part ein, der den Hörer (inklusive kleiner Verbeugung vor BEHEMOTHs Maintheme zu „Chant for Eschaton“) zum Höhepunkt führt. So ist VREID mit „Sólverv“ ein Meisterwerk gelungen, das beiden Lagern gerecht werden dürfte und eine Menge voller Bilder in meinem Kopf hinterlässt. Es fühlt sich tatsächlich an, als ob man erschöpft von einem erlebnisreichen Abenteuer zurückgekehrt ist, und im Hinterkopf dröhnen noch immer diese herrlich progressiven Schlagzeugfiguren in Kombination mit den markanten Gitarrensoli … Black Metal aus Norwegen wird immer ein gewisser Zauber anhaften.
Oh je, jetzt schreibt die Dame, die jedem x-beliebigen Core-Album (ich hab an sich nichts gegen den Stil und höre selbst einige Bands aus dem Sektor) mindestens 8/10 Punkten gibt, schon Reviews zu Black Metal-Scheiben. Nicht, dass ich grundsätzlich ein Problem damit hätte, dass ein Rezensent mehrere Genre bespricht, aber glaubwürdiger macht es das nicht unbedingt…
Wenn alles gut begründet ist, ist der Rezensent doch relativ egal.
Natürlich ist er das, das war jetzt auch gar nicht speziell auf das Vreid-Album hier bezogen. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass dieser Rezensent meiner Meinung überwiegend generell zu hohe Wertungen verteilt. Ok, das ist natürlich immer eine subjektive Geschichte aber auffällig ist schon, dass so ziemlich jedes Album aus der Core-Ecke Minimum 8/10 Punkten bekommt (vor allem bei den Deathcore-Alben fällt das auf). Das Genre ist jetzt nur gewählt, weil dieser Rezensent dazu anscheinend die meisten Bewertungen verfasst. Bei der neuen Soulfly ist es z.B. dasselbe. Das dann dazu ab und an auch mal noch inhaltliche Fehler kommen (siehe z.B. All Shall Perish – the price of existence) macht es auch nicht gerade besser. Sorry, ist kein Angriff (ich kenne die Dame persönlich natürlich nicht), nur eine Feststellung.
Was antiWelt sagte: Wenn alles gut begründet ist, ist der Rezensent doch relativ egal. Danach war das Thema schon beendet, weil es dazu einfach nicht mehr zu erzählen gibt.
Bei dieser Rezension ja, woanders sicher nicht. Aber gut, lassen wir’s. Will nicht noch mehr schreiben, was mit dem Album hier nichts zu tun hat…