Vom Fetisch der Unbeirrtheit - Psychohygiene

Review

Ich muss zugeben: VOM FETISCH DER UNBEIRRTHEIT (oder kurz V.F.d.U.; ich werde im Folgenden nur die Abkürzung verwenden – einerseits zu Gunsten des Leseflusses, andererseits um mir schlechte Witze besser zu verkneifen) haben mindestens eins ihrer vermeintlichen Ziele erreicht. Ich bin nach dem zweifelhaften Genuss ihrer „Psychohygiene“ nämlich einigermaßen ratlos. Leider(?) jedoch nicht, weil ihr fast 110-minütiges Mammutwerk so wirkungsvoll wäre, sondern weil es ein Album ist, dem ich sehr zwiespältig gegenüberstehe.

Das beginnt schon bei den begleitenden Informationen zur „Psychohygiene“, das in weiten Teilen aus schwülstig wirkendem Gequatsche besteht, welchem ich keine echte Aussage entnehmen kann – was natürlich auch an meinem beschränkten Verständnis der Materie liegen kann. In Kombination mit dem Bandnamen, dem Albumtitel und einer solch illustren Genre-Angabe wie „Black Metal/Sick Noise/Experimental“ keimt in mir aber die Hoffnung, dass V.F.d.U. ihr großkotziges Gelaber auch in die Tat umsetzen und mir ein meisterhaft verstörendes Werk vor den Latz knallen – gleichzeitig steigt die Befürchtung, dass hinter großen Worten ziemlich kleine Taten lauern könnten.

Im ersten Teil, „Antipodensystem I“, ist Letzteres der Fall. Die ersten acht Stücke, die immerhin fast sechzig Minuten ausmachen, sind rumpeliger, unspektakulärer und sehr sehr langatmiger Black Metal, der so überhaupt nicht verstörend ist – rumpeliges, teils hinterher hinkendes Schlagzeug, flirrende Gitarren, nichts Neues also. Irgendwie scheinen BERGRAVEN und BLUT AUS NORD Pate gestanden zu haben, was wirklich nicht die schlechteste Idee ist, von der Klasse der Schweden und Franzosen ist das deutsche Zwei-Mann-Projekt V.F.d.U. aber noch ziemlich weit entfernt. Ich will den Protagonisten „P.“ und „R.“ kein Unrecht tun, daher weise ich mal darauf hin, dass es tatsächlich den einen oder anderen netten Moment im „Antipodensystem I“ gibt – ironischerweise sind das aber gerade die Stellen, an denen die „Psychohygiene“ am wenigsten verstörend oder irgendwie „sick“ ist. Dazu kommt, dass eine Handvoll gute Ideen eben keine Stunde ausfüllen können und im Meer mittelmäßigen Geschrubbes untergehen. Was mir aber wirklich die ohnehin spärlich vorhandene Freude an der ersten Hälfte des Doppelalbums genommen hat, ist der unterirdisch schlechte „Gesang“, der furchtbar gepresst ist und in Zuge dessen die Grenze zwischen „aufgesetzt“ und „albern“ mit Leichtigkeit überschreitet. Nee, die Black Metal-Seite gefällt mir schon mal nicht.
(3/10)

Mit „Geistesinfarkt“, das offiziell noch zum ersten Teil gehört, wenden sich V.F.d.U. jedoch der experimentelleren Seite oder dem „Antipodensystem II“ ihres Schaffens zu. So gibt es in weiten Teilen ganz passabel gemachte Noise-Collagen zu hören, die zwar qualitativ keinen Preis gewinnen werden (dazu passiert dann doch zu wenig), aber auch wesentlich schlechter sein könnten. Mit „Epitaph“ und „Imperativ – kategorische Zerstörung, XIIIx losgelöst“ (ich sag’s ja: schwülstiges Gequatsche…) gibt es sogar so etwas wie noisigen Drum’n’Bass an der Grenze zu gemäßigtem Gabba. Ganz nett, aber wirklich nichts, was mich vom Hocker reißen würde.
(5/10)

Insgesamt ist „Psychohygiene“ also ein zu langes Album mit ein bisschen Licht und viel zu viel Schatten. Was mich persönlich am meisten stört (und was ich auch überhaupt nicht verstehe), ist, dass sich V.F.d.U. zu selten trauen, die beiden Antipoden mal aufeinander loszulassen – das passt wahrscheinlich nichts in Konzept, würde der „Psychohygiene“ aber einiges an Pfeffer verleihen. Ich kann mir gut vorstellen, dass insbesondere die zweite Hälfte des Albums für ein paar Horrortrips sorgen dürfte (vorausgesetzt, der Hörer befindet sich in einer dafür empfänglichen Bewusstseinslage) – von wirklich verstörenden Projekten wie SPEKTR sind die Jungs aber (noch?) gaaaanz weit weg.

06.12.2010

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