Vola - Inmazes

Review

Es gibt Aha-Erlebnisse im Leben eines Musikliebhabers. Zum Beispiel dann, wenn er im Auto die letzte UNEARTH einwirft, nach drei Songs aber schon wieder genug hat. Dabei bezeichnet er sich – gern auch öffentlich – als langjährigen Fan der Band. Die Scheibe hat er in Wahrheit aber noch nicht einmal am Stück durchgehört. Warum? Tja… Sein Blick wandert weiter zu den anderen Platten im Case. MACHINE HEAD, HEAVEN SHALL BURN, MESHUGGAH, THE HAUNTED – nichts von alledem zündet. Weil sich der Musikliebhaber jedes Mal denkt: „Könnt ihr Typen nicht mal irgendwas Neues oder Spannendes machen? Immer dieselbe (Pardon!) Scheiße, verdammt nochmal!“

In der Tat sind die Fälle ausgesprochen rar, in denen Bands aus dem modernen Metal-Segment mit einer Platte richtig überraschen, wirklich etwas Eigenes kreieren. Die aktuelle ARCHITECTS ist so ein Fall, die DEFTONES beherrschen diese Kunst ebenfalls seit Langem. Und dann gibt es natürlich auch immer mal wieder Bands, die unverhofft und aus dem Stand weg aufhorchen lassen – unter anderem zuletzt die indischen SKYHARBOR unter Mithilfe von Mr. Tompkins. Stilistisch recht nahe bei letztgenannten sind auch die Dänen VOLA zu verorten. Der Vierer aus Kopenhagen legt dieser Tage seinen Erstling vor und meistert darauf eben besprochene Herausforderung: Das Zusammenführen bewährter und etablierter Stilmittel mit neuen, frischen Ideen und letztlich auch einer eigenen Identität. „Bewährt“ heißt in diesem konkreten Fall: Elemente aus atmosphärischem Rock und frickeligem Djent, „Identität“ meint die äußerst spannenden Arrangements, flimmernd-spacige Elektro-Spielereien und die wunderbar charakteristische Stimme. Das Resultat trägt den Titel „Inmazes“ und bietet etwas mehr als 50 Minuten knackig-aufgeweckte Kost – und den Beweis, das es da draußen tatsächlich noch Truppen gibt, die dem Genre neue Impulse geben können.

Wähnt sich der Hörer bei den ersten Klängen des Openers „The Same War“ zunächst noch in einem von Jens Bogren (ua. THE OCEAN, KATATONIA, SOILWORK) erwartungsgemäß gut produzierten Djent-Album, offenbart „Inmazes“ in der Folge allmählich immer mehr von seiner Tiefe und Klasse. Diese zeigt sich nicht nur in diversen mitreißend konzipierten Refrains („Stray The Skies“, „Feed The Creatures“, „Stray The Skies“), sondern im Falle VOLAs vor allem im Zusammenspiel von Rhythmik, Melodie, Bombast und Minimalismus: „A Stare Without Eyes“ beispielsweise – womöglich einer der besten Songs, die das Genre jemals hervorgebracht hat – pumpt einerseits mit mächtigem Groove unentwegt voran, überzeugt andererseits aber auch mit dynamischem Geschick und Eigenwilligkeit – ohne jedweden Bruch im Hörfluss, versteht sich. Das bereits angesprochene „Stray The Skies“ wiederum ist so etwas wie der „Hit“ der Scheibe: Absolut eingängig, wuchtig und mit betörendem Mitgröhl-Faktor ausgestattet, fräst sich der Track ins Gedächtnis.

Das allerdings ist nur die Spitze des oft bemühten Eisberges, oder besser: des Facettenreichtums dieser Platte. Denn mit „Owls“ servieren VOLA einen beeindruckenden Hybriden aus DEPECHE MODE, Trip-Hop-Beats und fiesem Djent, anschließend hämmert „Your Mind Is A Helpless Dreamer“ zur Halbzeit der Platte mit kantigem Riffing die Gehörgänge frei – es ist zudem einer der wenigen Songs, bei dem die ansonsten fast ausschließlich clean gehaltenen Vocals merklich ruppiger werden. Das in erster Linie elektronisch dominierte „Feed The Creatures“ hingegen überzeugt mit wilden Samples, einem Hauch von PORCUPINE TREE (oder wahlweise BLACKFIELD), wirkungsvoll platzierten Synthie-Flächen und dezent eingestreuten Djent-Attacken. „Emily“ wiederum ist eine kleine, zwischenzeitliche Liebeserklärung an sphärischen Post-Rock à la 65DAYSOFSTATIC und im überlangen Schluss- und Titeltrack gibt es dann noch einmal die Vollbedienung: Glockenspiel, epische Chöre, krachende Riffs und Synthies satt.

Es gibt auf der Scheibe allerdings auch einige Phasen, die beim Erstkontakt nicht ganz so zwingend und packend wirken. Andererseits: Wenn es ein Album gibt, für welches der Begriff „Grower“ erfunden wurde – es wäre „Inmazes“. Der Rezensent (also ich) sucht nun schon seit zwei Tagen nach dem Haar in der Suppe – allein, er kann es nicht finden. Wohl vordergründig, weil bereits zu viele Durchläufe hinter ihm liegen. So viel kann er aber sagen: Die Platte ist sicher nicht der Heilige Gral. Und auch nicht die Neudefinition des Genres. Aber: „Inmazes“ ist – wohlgemerkt für Freunde modern-vertrackter Klänge – einfach ein durch und durch erquickendes Album mit verdammt vielen Facetten, das allerbeste Unterhaltung bietet. Einfach eine saustarke Scheibe. Punkt.

05.03.2015
Exit mobile version