Voivod - Rrröööaaarrr (Deluxe-Set)

Review

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„Rrröööaaarrr“ macht RRRÖÖÖAAARRR

Ich wette, dass sich viele Bands aus den Achtzigern noch heute darüber ärgern, dass sie nicht so clever wie VOIVOD gewesen sind. Denn wer kann schon von sich behaupten, sein zweites Album mit dem onomatopoetisch präzisen Namen „Rrröööaaarrr“ betitelt zu haben. Das Album erschien 1986 und war die erste von drei Platten, die via Noise Records erschienen sind. Es war jene Zeit, als die Kanadier noch dem Trend, schneller und härter als alle anderen zu sein, hinterher liefen, ehe sie mit dem Nachfolger „Killing Technology“ begannen, ihren eigenen Pfad einzuschlagen. Die Finanzierung der Aufnahmen gestaltete sich turbulent, da die mittlerweile von Jonquière nach Montreal gezogene Band zu dem Zeitpunkt durch einen herben Rückschlag – Teile des Equipments wurden der Band gestohlen – nicht über die Mittel verfügte und es erst nach Abschluss der Aufnahmen zum Vertrag mit Noise Records kam. Daher musste man kreativ werden. So wurde ein Festival namens „World War III“ zur Finanzierung des Albums ausgetragen, bei dem auch unter anderem die zu dem Zeitpunkt bei Noise Records beheimateten CELTIC FROST eine ihrer ersten Shows in Nordamerika spielten. Und über die kamen VOIVOD letzten Endes zum Plattenvertrag.

„Rrröööaaarrr“ klingt genau so wie es heißt. Interessant hierbei ist, dass VOIVOD zu dem Zeitpunkt, als sie in den Aufnahmen zu diesem zweiten Album steckten, noch nicht über die Finesse im Spielen ihrer Instrumente verfügten. „I think we made a mistake back then of trying to be as heavy as everyone else, and in those days that meant being faster and faster. To be honest, I don’t think we were good enough to do that, because we hadn’t really developed enough as musicians„, erinnert sich Schlagzeuger Michel „Away“ Langevin laut Liner Notes im Hinblick auf dieses Thema.

Manchmal zahlt sich Ambition durch Imitation aber doch aus. Am Ende ist mit „Rrröööaaarrr“ ein Album entstanden, das durch und durch rau und unwirtlich klingt und dem man diese ungeschliffenen Ecken auf den ersten Hör kaum anmerkt, wenn man es nicht besser wüsste. Viel mehr übersetzt sich diese Ungeschliffenheit auf seltsame Weise in einen Sound, der dem Namen gemäß brachial aus den Boxen trümmert. Das Album klingt dreckig und absolut hässlich, entsprechend auch extrem sperrig mit einem generellem Hang zum Chaos. Es erreicht durch diese ungelenk wirkenden Rhythmen und Riffs einen Härtegrad, der sich durch kalkulierte Tightness einfach nicht replizieren lässt. Wenn man so weit gehen möchte, kann man „Rrröööaaarrr“ gar als einen dieser berühmten Happy Accidents bezeichnen. Dazu kommt der aggressive Gesang von Denis „Snake“ Belanger, der sich der rauen Umgebung bestens anpasst. Und fertig ist eine Platte mit enorm abrasiver Stimmung, die wirklich niemanden mit offenen Armen in Empfang nimmt. Solch eine Ungehobeltheit ist man aus Kanada ja sonst nicht gewohnt.

VOIVOD im knüppelharten Thrash-Modus

Songtitel wie „Fuck Off And Die“ oder „Ripping Headaches“ sind von geradezu programmatischer Natur. Man hört zwar die prägnanten MOTÖRHEAD- und VENOM-Einflüsse noch heraus, erstere besonders in „Helldriver“, doch gibt es hier vor allem mit der Thrash- und Speed-Keule auf die Omme. Der Opener „Korgüll The Exterminator“ baut sich aus einem ominös aus dem Nichts aufsteigenden Groove heraus auf und rockt, was das Zeug hält, ehe die Band – zugegeben etwas unsanft – umschaltet und richtig Gas gibt. Dazu hat der Song diese stampfende Hook, die sich sofort in den Hirnwindungen festsetzt. Hier zeigt sich aber auch schon die bandtypische Abneigung gegen konventionelle Melodien. Denis „Piggy“ D’Amour drückte dem Sound mit seinem eigen- und einzigartig verqueren und auch dissonanten Gitarrenspiel den Stempel auf, der letzten Endes zum Markenzeichen werden sollte. Ein Markenzeichen, das auch nach seinem tragischen Tod noch in Ehren gehalten werden sollte, zumal sich VOIVOD mit ihren neueren Veröffentlichungen, besonders „Post-Society„, wieder an ihren Wurzeln ausrichten sollten.

„Rrröööaaarrr“ macht seinem Namen alle Ehre und allein dafür lohnt es sich, dieses Album zu entdecken. Denn trotz ihres Wunsches, mit den Zeitgenossen mithalten zu wollen, klingen VOIVOD eben doch anders, auch wenn das nicht unbedingt das direkte Ziel der Band gewesen sein mag. Man fühlt sich einfach nicht willkommen hier bei all dem infernalischem Lärm. Und dank der enormen Fülle an Live-Aufnahmen, die hier in Form einer Bonus-CD wie auch als Silberling für die Mattscheibe beigelegt worden sind, dürfte auch für Kenner noch etwas dabei sein. Entstauben oder neu entdecken, in beiden Fällen würde man hier also relativ wenig falsch machen. Allerdings ist die Platte zugegebenermaßen nicht ganz so würdevoll gealtert wie andere Alben der Band, da vor allem der Sound der Gitarren zur Verwaschung neigt und der Bass etwas mehr Präsenz fernab des Knorzens hätte zeigen können. Daran hat leider auch diese Neuauflage wenig geändert. Das ist sicher den Umständen der Entstehung verschuldet. Immerhin bekommt der Hörer so dieses Tondokument in unverfälschter Form zu hören. Und Ästhetik ist bei VOIVOD ohnehin immer relativ gewesen. Zum Glück!

29.10.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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