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Voivod - Killing Technology (Deluxe-Set)

Review

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Die Welt und VOIVOD im Wandel

„Killing Technology“ ist das Album, mit dem VOIVOD einen wichtigen Schritt in ihrer Entwicklung unternahmen. Die Musiker wurden besser und entsprechend erweiterten sich ihre Horizonte in Bezug auf das, was sie mit ihrer eigenen Musik anzustellen imstande waren. Allen voran Gitarrist Denis „Piggy“ D’Amour und Bassist Jean-Yves „Blacky“ Theriault erwiesen sich als das songschreiberische Rückgrat der Formation, die sich viel mit klassischer Musik befassten. Indes fokussierte sich Denis „Snake“ Belanger auf das Texten und Michel „Away“ Langevin auf die Konzeption. „Killing Technology“ nahm Bezug auf das Zeitgeschehen, vor allem auf Katastrophen, die durch technisches Versagen in Kombination mit menschlicher Unzulänglichkeit verursacht worden sind. Besonders tragische Beispiele sind hier der Absturz der Raumfähre Challenger von 1986 sowie natürlich die nukleare Katastrophe von Chernobyl, die sich ebenfalls 1986 ereignete und daher ebenfalls eine unmittelbare Rolle in der Konzeption der Platte spielte.

„Killing Technology“ zeigte aber auch eine Band, die langsam aber sicher in die harte Realität des Musikbusiness geworfen worden ist. Der Vertrag mit Noise Records, den die Band für ihren Vorgänger „Rrröööaaarrr“ ergattern konnte, brachte der Band natürlich eine neue Popularität ein. Aber es brachte auch einen enormen Stress mit sich. Die Band wurde nach Europa auf Tour als Support von POSSESSED geschickt und währenddessen sollte die Band an neuem Material arbeiten. Die Aufnahmen fanden im Musiclab Studio unter der Aufsicht von Harris Johns in dem zu der Zeit noch geteilten Berlin statt, was für die Band eine prägende, aber auch geradezu surreale Erfahrung darstellen sollte. Das Ergebnis davon ist ein Album, bei dem sich die Band langsam aber sicher vom jugendlichen Leichtsinn hinein in die musikalische Reife spielte. Plötzlich war die hohe Qualität der Platte kein vermeintliches Zufallsprodukt mehr, sondern tatsächlich das Ergebnis ausgefeilter, songschreiberischer Ambitionen. Und natürlich eines entsprechenden Budgets.

„Killing Technology“ ist der kreative Befreiungsschlag

Da scheint es fast ironisch, dass „Killing Technology“ eine derart gereifte Band zeigt, wo die Umstände des Schreibens und Aufnehmens der neuen Songs so hektisch gewesen sind. Doch VOIVOD schossen hiermit einen echten Kracher in die musikalische Umlaufbahn, der das Fundament für die stilistische Entwicklung der Kanadier legen sollte. Der Thrash ist natürlich nach wie vor präsent, aber man spürt gerade im direkten Vergleich zum Vorgänger, wie aufgeräumt und routiniert hier zu Werke gegangen worden ist. Der Sound blieb weiterhin unfreundlich und dreckig, erfuhr durch die professionelle Produktion jedoch das nötige Maß an Politur, sodass sich die Platte auch aus heutiger Sicht noch hervorragend hören lässt. Der Sound drückt ordentlich ins Gesicht und die feinen Details, besonders das Gitarrenspiel, versank nicht mehr im eigenen Klangbrei. Dazu zeigte Snake eine deutlich gezügeltere Darbietung, die sich dem neuen Anspruch anschmiegte, während Away souveräner auf die Felle und Kessel einschlug.

Das „schneller und härter“ des Vorgängers ist einem wahrhaft verstörenden Sound gewichen, der die Zeichen seiner Zeit ziemlich gut einfängt. Die Angst vor dem Versagen der Technologie in kritischen Momenten prägte natürlich den lyrischen Kern und den Charakter des Voivod selbst, der im Zentrum der Handlung steht. Doch es ist vor allem der technische Kern der Musik, der hier viel ausmacht. Nach wie vor glänzen konventionelle Harmonien weitestgehend durch Abwesenheit und werden nur bei einprägsamen Hooks wie in „Tornado“ bemüht. Dissonante Chords und kreischende Riffs, die so klingen als wollten sie den Weltuntergang besingen, sind Brot und Butter der Songs. Die flotten, an Punk gemahnenden Rhythmen sorgen weiterhin dafür, dass VOIVOD anno 1987 fest im Thrash verwurzelt sind, doch dank der Einflüsse klassischer Komponisten wie Béla Bartók rückte die Band in deutlich progressivere, experimentellere Gefilde vor. Die Songs wurden entsprechend auch länger und komplexer. Und letzten Endes war es Harris Johns, der das Gesamtwerk so organisch hat klingen lassen.

„Killing Technology“ ist ein wichtiges Album für VOIVOD, da es das Bindeglied zwischen den reinen Thrash-Wurzeln und den experimentelleren Werken der Band darstellt. Dazu ist es heute noch ein Genuss, diese Album zu hören. Es hat einen kernigen Sound, der zwar immer noch sehr gitarrenlastig ist, das jedoch durch das nötige Maß an Klarheit rechtfertigt. Und wiederum lohnt sich die Anschaffung für Kenner dank der umfangreichen Live-Aufnahmen, die der Deluxe-Edition beigelegt worden sind. Ein rundes Gesamtpaket liegt hier also vor, kann man sich also ruhig mal gönnen.

29.10.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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