VoidCeremony - Entropic Reflections Continuum: Dimensional Unravel

Review

Das nie enden wollende Quell origineller Death-Metal-Perlen aus dem Hause 20 Buck Spin sprudelt erneut und erquickt uns diesmal mit den Kaliforniern VOIDCEREMONY. Da allein das sagenhaft schöne Cover-Artwork und die Zungenfraktur des Albumtitels in andere “Spheres” entführen, dürfte das ein oder andere Trüffelschwein bereits vor der ersten gehörten Note von “Entropic Reflections Continuum: Dimensional Unravel” in sabbernde Schnappatmung verfallen. Zudem verheißt das Promo-Schreiben die Anwesenheit eines Fretless-Basses. Die Ritalin-Death-Gemeinde kann gerade noch die nervösen Hände vom heimischen Frühneunziger-Altar nehmen, um dem nächstbesten Plattenhändler schon komplett tollwütig “Shut up and take my money!” in den Hörer zu brüllen.

Was reimt sich auf VOIDCEREMONY? Richtig, Chucks Erben sterben nie!

Es benötigt nur drei Snare-Schläge und VOIDCEREMONY nehmen uns in einem mystischen und fantasievollen Sound gefangen, der zur gleichen Zeit meterdick und organisch ist. Drummer Charles Koryn (ASCENDED DEAD, FUNEBRARUM) scheint zudem großer Pete-Sandoval-Fan zu sein, was gemeinsam mit dem sehr präsent integrierten Fretless-Bass ein schwer verdauliches, doch faszinierendes Klangbild erzeugt. Beherrscht wird dieses vielköpfige Monster von einem garstigen Organ, das tönt, als hätte Chuck Schuldiner irgendwann ein geheimes Nebenprojekt in Finnland gehabt.

Zugegeben – die Strukturen der Songs sind auch nach mehrmaligem Hören mitunter schwer zu fassen. In “Empty, Grand Majesty (Cyclical Descent Of Causality)” wirken manche Breaks zunächst wie gezielte Stolperfallen. Songs wie “Desiccated Whispers”, “Sacrosanct Delusions” oder “Binded To Unusual Existence” laden trotzdem sofort zum ekstatischen Zucken ein, denn die Riffs haben insgesamt eine beachtliche Trefferquote auf die Nackenmuskulatur. Im Querschnitt wird klar, dass Progressivität und Komplexität bei VOIDCEREMONY keinerlei Selbstzweck darstellen, sondern immer im Dienste der dunklen Bedrohung agieren. Die bewahren sie sich sogar, wenn das Einflusspendel Richtung Jazz ausschlägt. Das ist in der Tat anschlussfähig an die Großtaten älterer Pionierbands wie NOCTURNUS (von denen in “Solemn Reflections Of The Void” elegant ein Break geliehen wurde) oder PESTILENCE und rangiert etwa im gleichen Verhältnis von Finesse und wildem Death-Metal-Feeling.

“Entropic Reflections Continuum: Dimensional Unravel” – genau hinhören, dann belohnt werden

Natürlich ist es schier unmöglich, die Klasse des VOIDCEREMONY-Debüts beim bloßen Nebenbei-Hören zu erschließen. Die unzähligen Breaks, die häufig wechselnden Tempi und die vielen kleinen Details in den Arrangements verlangen nach Aufmerksamkeit; ihr Partyfaktor hält sich in Grenzen. Stattdessen empfehlen sich zum Beispiel Kopfhörer und ein Bildband über die finstersten Lebensformen der Ozeane. Oder ihr malt gemeinsam mit den Kindern Bilder über schlimmste Albträume und die Monster unterm Bett. Es gibt viele Möglichkeiten, dem kosmischen Schrecken von “Entropic Reflections Continuum: Dimensional Unravel” zu huldigen, nur aufmerksam sollte es getan werden. Dann eröffnet sich ein wunderbares Genre-Highlight, das VOIDCEREMONY zukünftig gewiss selbst noch übertrumpfen werden.

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19.06.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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