Wenn wir nur noch Staub und Schatten sind, die menschliche Geschichte nur noch ein Ausstellungsstück in toten Museen ist, die niemand mehr besuchen kann, weil niemand mehr da ist – das ist die Zeit, in der die Musik von VOID OF SILENCE spielt, ein Abgesang auf das Leben und seine Hinterlassenschaften.
Das italienische Doom-Duo hat sich dieses Mal ganze sechs Jahre Zeit gelassen, um den Nachfolger vom famosen „Human Antithesis“ zu komponieren, doch diese Zeit hat der Musik nicht etwa Kraft entzogen sondern neue gespendet. Hat man sich zum ersten Mal in die Fänge dieses Mammutwerks begeben, ist man geneigt, den beiden Italienern zuzustimmen: Ja, vielleicht ist das wirklich ihr bestes Opus. Kenner der Band wissen bereits, was sie erwarten dürfen, und sie werden dabei nicht enttäuscht: Doom Metal in all seinen Facetten und zur Hochform getrieben. Mal so tragisch und episch wie seine klassische Ausrichtung (wir denken an CANDLEMASS und SOLITUDE AETURNUS), mal kalt und finster wie die Totengräber (ein kalter Hauch weht von SKEPTICISM und COLOSSEUM herüber), und dann wieder, sozusagen als Symbiose beider Pole, Melancholie und tiefste Wehmut (mit der Sehnsucht von COMATOSE VIGIL).
Hinzu kommen Industrialfragmente, düsterer Rock mit leichten ANATHEMAtischen Anflügen und TIAMATischen Reminiszenzen und über allem diese großartige, ergreifende Atmosphäre; so monumental wie das Gebäude auf dem Cover, doch voller Leben. Fast so, als hätte es sich einem schwarzen Loch gleich an einem Punkt konzentriert – in der Musik – während es der Umgebung entrissen wurde. Getragene Arrangements, elegische Pianopassagen kennzeichnen dieses Album, welches seine Intensität ganz ohne überbordenden Bombast oder tonnenschwere Instrumentierung erreicht.
Einen ganz wesentlichen Anteil daran hat auch der äußerst variationsreiche Gesang. Wir erinnern uns, auf „Human Antithesis“ gab sich Alan Nemtheanga von PRIMORDIAL die Ehre. „The Grave Of Civilization“ wird nun von Brooke Johnson veredelt, dessen volles Spektrum man in seinen vielen anderen Projekten (u.a. THE AXIS OF PERDITION, MINETHORN) wohl nur erahnen konnte – unglaublich, was der Mann für eine Stimme hat.
Zwei mittellange Stücke bilden den Rahmen des Konzeptwerks, während die vier Stücke des „Hauptteils“ sich fast schon auf Doppelalbumlänge erstrecken. Ich hätte es noch bis vor kurzem nicht für möglich gehalten, dass ein Album sozusagen in Spielfilmlänge auf einer einzigen CD unterzubringen ist. Das Kunststück wurde offenbar notwendig, da es ansich unmöglich ist, „The Grave Of Civilization“ irgendwie sinnvoll zu trennen. Es ist eine große Einheit aus monumentalen Stücken, die nur selten in leichte Monotonie abdriften. Der Rest wird von der beeindruckenden Atmosphäre eines Albums beherrscht, welches zu keinem Zeitpunkt stereotypischer Doom Metal ist. Und gerade deshalb sollten sich Fans dieses Genres spätestens jetzt VOID OF SILENCE hinter die Ohren schreiben. Sie sind mittlerweile zu groß für einen Geheimtipp.
Als ich das Review erblickte, musste ich schon ziemlich seltsam geschaut haben. War mir doch eine Auflösung der Band in Erinnerung, kurze Zeit nach Human Antithesis. Ich muss mich geirrt oder verlesen haben. Umso begeisterter bin ich vom neuen und opulentem Werke. Wirklich klasse und wahnsinnig vielschichtig. Es ist wirklich noch eine ganze Schippe gelungener als der Vorgänger, auch wenn ich etwas Alan vermisse. Doch der neue Gesang macht wirklich gute Arbeit. Klare Überraschung dieses Jahr und was für eine.