Wein, Weib und Gesang?
Deutschsprachiger Mittelalterrock ist für viele ein wandelndes Klischee mit ein paar lustigen Sackpfeifen, den ewig gleichen Texten über Met, Weiber (wahlweise holde Maiden) und abstruse Heldengeschichten sowie dem einen oder anderen Schenkelklopfer. Es gibt Bands, die sich zur Aufgabe gemacht haben in eben jenem Klischeebällebad rumzuturnen und die immer gleichen Lieder zu singen, und es gibt Bands, die versuchen, aus diesem Genrekorsett auszubrechen. VOGELFREY liefern mit “Nachtwache“ ein Album, das anscheinend versucht, zwischen diesen Extremen hin und her zu torkeln.
VOGELFREY mögen Mittelalter
Zunächst macht die Band alles richtig: Zwar klappert “Ära Des Stahls“ gekonnt alle herkömmlichen Schlachten-Phrasen ab, jedoch scheint hier die Musik viel entscheidender zu sein, als der Text. Es wird auf Druck, Tempo und Kraft gesetzt, gestaltet als mitreißendes Power-Metal-Mittelalter-Crossover. Auch die Party- und Livehymne “Magst Du Mittelalter?“ überzeugt durch Eingängigkeit, spannenden Gastgesang von Chris Harms (LORD OF THE LOST) im Streitgeschrei mit VOGELFREYs Jannik Schmidt und einem vor Selbstironie strotzendem Text. So wirkt die Nummer erfrischend und authentisch, was das restliche Album nur in Teilen von sich behaupten kann.
Das beste Beispiel ist “Metamnesie“ – ein Song, den niemand braucht. Wenn man schon ein Lied über den Morgen nach der Party, den auftretenden Kater und Erinnerungslücken schreibt, dann solle er wenigstens irgendeinen lustigen Plot Twist haben oder originell betextet sein (wie beispielsweise “Am Arsch“ von KNORKATOR). Was VOGELFREY hier allerdings abliefern ist an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten und gerät insbesondere im direkten Vergleich mit einem bärenstarken “Magst Du Mittelalter?“ direkt in Vergessenheit. “Midwinter“ und “Auf St. Pauli“ sind dahingehend besser gelungen, kommen jedoch aufgrund ihrer allumfassenden Einfachheit nicht über den Mittelalterpartytrack-Standard hinaus. Innovation sieht anders aus.
Mehr als nur Metparty
Dass VOGELFREY jedoch nicht nur plumpe Partymusik schreiben können, zeigen sie beispielsweise mit “Sündenbock“, einer gesellschaftskritischen Nummer, die besonders im Licht aktueller Vorkommnisse in sozialen Medien eine starke Botschaft sendet. Das emotionale Albumhighlight liefert jedoch “Walhalla“, einem Song mit fast schon filmischen Aufbau, der zwar textlich mit den Klischees der nordischen Mythologie spielt, jedoch ähnlich wie der Opener so geschickt musikalische Akzente setzt, dass es gar nicht mehr auffällt. Hier schaffen VOGELFREY wahre Atmosphäre – so dürfte es gern weiter gehen.
“Nachtwache“ ist demnach wahrlich keine schlechte Platte, jedoch verheddern sich VOGELFREY viel zu oft in lyrischer Banalität, Trinkliedern ohne Charme und einfallslosen Songkonzepten. Reichlich gute Ansätze sind vorhanden, jetzt müssen sie von der Band nur noch weiterentwickelt werden. Bis dahin kommen sie kaum über den Mittelalterrock-Durchschnitt hinaus.
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