Vogelfrey - In Ekstase

Review

Aus irgendeinem Grund bin ich nie richtig auf VOGELFREY aufmerksam geworden. Wenn es um Mittelalterrock ging, griff ich meist zu den Klassikern des Genres oder zu aufstrebenden Bands. Mag es am Namen liegen oder an den wenigen Titeln, die ich bislang von der Band hörte – alles klang stark nach Klischee. Doch mit dem 2017 erscheinenden Werk “In Ekstase“ soll sich meine Haltung gegenüber VOGELFREY ändern.

Gold ist blau

Bereits der Opener lässt aufhorchen. “Crystal Met“ hat eine ganz eigene Art, den Hörer in den Bann zu ziehen. Beim ersten Hören führt wohl jeder die klassische Facepalm-Geste aufgrund des Textes aus. Hochgradig albern wird hier ein Gesöff in schönster Breaking-Bad-Manier gebraut und man fragt sich, ob VOGELFREY das denn ernsthaft witzig finden. So ist zumindest die Einstellung nach dem ersten Hören. Durch die unglaublich eingängige Melodie jedoch, hört man den Song auch gerne einmal mehr als nötig und findet auch irgendwann die albernste Textzeile (“Nach vielen Jahren intensiver Forschung ist unseren Alchemisten die Erschaffung von Gold gelungen. Es ist blau.“) unsagbar witzig. Was VOGELFREY hier geschaffen haben ist ein Song, der sich mit neueren Werken von FEUERSCHWANZ durchaus messen kann. Lustig, mitreißend und tanzbar – toller Opener!

Ja, Ja, Ja? – Nein, Nein, Nein!

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Song “Mittelalter Rockstar“. Der Song ist wieder sehr eingängig derart humorvoll gestaltet, dass sogar Erinnerungen an DIE ÄRZTE wach werden. Auf dem schmalen Grat zwischen witzig und peinlich balancieren hier VOGELFREY perfekt entlang, landen aber stets auf der richtigen Seite. Ganz anders verhält es sich beim grasgeschwängerten “Rauschpfeife“, welches mit Reggea-Klischees spielt und dabei leider in die Belanglosigkeit abtaucht. Tiefpunkt bildet der einfallslose Refrain, der zwar auch bestimmt lustig gemeint war, auf Dauer jedoch durch sein ewig gleiches “Ja, Ja, Ja“ gehörig nervt. Insgesamt ist die Nummer auch musikalisch unspektakulär und wenig abwechslungsreich gestaltet. Diese Schiene fährt auch “Der Meister“, der zwar ein angenehm hohes Tempo fährt, sich jedoch chaotisch und musikalisch wenig innovativ zeigt. Der Song hätte eine klarere Struktur gebraucht.

Die Nummer sicher?

Assoziationen an andere Bands werden bei VOGELFREY sowieso häufiger wach. Neben den bereits angesprochenen Songs erinnert der Beginn von “Heiland“ auf angenehme Art und Weise durch seine Riffs an RAMMSTEIN, während das vergleichsweise schwache “Wach Im Traum“ stark an “Traum Im Traum“ von LETZTE INSTANZ erinnert. Auch “Tanz Für Mich“ klingt nicht nach einer Neuerfindung des Rades, sondern durch seine typische Instrumentierung und die lyrische Ausrichtung nach einem klassischen Mittelalterrockstück ohne Überraschungen. An dieser Stelle tut das dem Song jedoch unsagbar gut, denn er groovt ordentlich vor sich hin und macht zweifelsfrei gute Laune. Manchmal ist eben auch die “Nummer sicher“ von Vorteil.

Highlight des Albums bildet jedoch der Song “Maskenball“, der durch seine Rhythmik direkt ins Blut geht und durch die präsente Geige eine mitreißende melodische Komponente erhält. Auch lyrisch und erzählerisch ist die Nummer packend und wenig klischeeorientiert gestaltet, sodass VOGELFREY sich hier von ihrer besten Seite zeigen. Erwähnenswert ist noch “Berserkerwut“, welches abseits des albern klingenden Titels durch seine Härte eine eher ungewöhnliche, aber nicht minder spannende Facette der Band zeigt. Man bekommt eine treibende Folk Metal Nummer auf die Ohren, die ebenfalls zum positiven Gesamteindruck des Albums beiträgt. Auch wenn VOGELFREY an der einen oder anderen Stelle deutlichen Verbesserungsbedarf haben (ich komme nicht über “Rauschpfeife“ hinweg, der Song ist so furchtbar), können sie doch mit überraschend vielen Stücken den Geschmack der Genrefans treffen. “In Ekstase“ überzeugt demnach insgesamt mit schönen Melodien, Facettenreichtum, Kurzweiligkeit und wenig abgegriffenen Texten. Offenbar werde ich in Zukunft etwas häufiger VOGELFREY hören müssen.

24.09.2017
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