Vitja - Mistaken

Review

Soundcheck Oktober 2018# 25 Galerie mit 25 Bildern: Vitja auf dem Knockdown Festival 2016

Mittlerweile sind sie, nicht nur unter Musikrezensenten, berühmt-berüchtigt. Die Promo-Beschreibungen von Labels und Promotern, die neuen Alben für die Presse beigelegt werden, gerne auch „Waschzettel“ genannt. Da wird man schnell hellhörig, wenn massig Vergleiche mit den Großen des jeweiligen Genres gezogen werden. Obwohl Metalcore-Größen wie HEAVEN SHALL BURN oder CALIBAN auf demselben Label veröffentlichen, verzichtet man im Falle von „Mistaken“, dem dritten Album der Kölner VITJA, erfreulicherweise darauf. Bedeutet dies automatisch, dass der Vierer mit einem eigenständigen, frischen Sound begeistern kann?

VITJA – Metalcore vs. Djent?

Immer wieder finden sich im Netz Hinweise darauf, dass VITJA einen Stil, irgendwo zwischen Metalcore und Djent spielen. Wow. Djent. Da kommen einem direkt großartige Formationen wie MESHUGGAH in den Sinn. Ein wilder, spannender Stilmix, in dem alles erlaubt ist.

Mit Beginn von „Mistaken“ macht sich aber sofort Ernüchterung breit. Djent, wie er vielleicht auf dem Erstling „Echoes“ tatsächlich noch ab und an durchblitzen konnte, ist hier keinesfalls zu finden. Stattdessen gibt es Metalcore-Standardware mit Vocals, die in bester Techno-Manier zigfach durch den Effekt-Wolf gedreht wurden, zu hören. ESKIMO CALLBOY, mit ihrem Trancecore, lassen grüßen. Für „Overdose“ konnte man Andy Dörner, Shouter der eingangs bereits erwähnten CALIBAN, als Gast verpflichten. Das hilft dem Song aber auch nicht wirklich weiter, er plätschert einfach so dahin, ist nach fünf Minuten wieder vergessen.

Überhaupt fehlt insbesondere der ersten Albumhälfte vielfach die Power, der Spannungsaufbau, die aufpeitschenden Breakdowns, die Metalcore bei der Zielgruppe nach wie vor so beliebt machen. Stattdessen wirkt alles, vor allem die teilweise stark im Vordergrund stehenden Clean-Vocals, furchtbar gezwungen. Das gilt im Übrigen auch für die schablonenartigen, pseudo-gesellschaftskritischen Klischee-Lyrics. Der Höhepunkt der Einfallslosigkeit ist das zweiminütige „Anxiety“ mit seinem unfassbar platten Stakkato-Riffing, das über den Status des Proberaum-Jams nicht hinausgekommen zu sein scheint.

Eine Band auf der Suche nach sich selbst – „Mistaken“

Mit „Black and Blue“ kommt zumindest ein bisschen Bewegung in die Scheibe. Post-Hardcore-Einflüsse amerikanischer Prägung lockern die Songs ein wenig auf. Auch „Sedamine“ schlägt in diese Kerbe und erinnert an Acts wie THREE DAYS GRACE. Mit „To The Moon“ wagt sich die Band sogar an düsteren Elektro-Pop mit Post-Rock-Schlagseite. Im Finale „Kings Of Nothing“ werden dann schließlich noch ein paar – man höre und staune – Doom-Riffs ausgepackt und das Tempo entsprechend gedrosselt.

Letztlich helfen aber alle Experimente nicht, die unüberhörbaren Schwächen im Songwriting zu überspielen. VITJA wirken auf Ihrem dritten Album furchtbar orientierungslos und kommen über gute Ansätze selten hinaus. Auf der einen Seite will man ein paar typische Metalcore-Nummern platzieren, um die Fans nicht zu verschrecken, andererseits wird ohne roten Faden experimentiert. „Mistaken“ klingt, trotz durchaus guter Produktion, irgendwie halbgar und erschreckend uninspiriert. So werden VITJA ihren ungleich bekannteren Labelkollegen jedenfalls keine Konkurrenz machen können.

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22.09.2018

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9 Kommentare zu Vitja - Mistaken

  1. BlindeGardine sagt:

    Kleiner Hinweis: Andy Dörner ist der Shouter von Caliban, nicht von Eskimo Callboy. Wenn das letzte Album irgendein Indikator ist kann man den Rest der Rezension aber wohl so stehen lassen. Das durfte ich seiner Zeit selbst rezensieren, der „Waschzettel“ war dabei das absolute Highlight der Platte 🙂

    1. ClutchNixon sagt:

      Ist der Beginn nicht kackdreist von Deftones „my own summer“ geklaut? Allein dafür gibt es schon mentale Haue.

      1. nili68 sagt:

        Es ist alles schonmal dagewesen, deshalb ist es fast unmöglich, dass sich nicht mal irgendwas wiederholt. Ich kann da schon an Zufall glauben, gerade bei so simpler Mucke und dem Überschuss an Bands.
        Es gibt ja nicht unendlich Noten und Harmonien, oder doch? Bin kein Musikwissenschaftler..

      2. ClutchNixon sagt:

        Naja, das hier ist schon ein bisschen sehr.. ähem…inspired by

      3. nili68 sagt:

        Das nennt man Hommage.

      4. ClutchNixon sagt:

        Na sicher 😉

      5. BlindeGardine sagt:

        Klar ist alles schonmal irgendwie da gewesen, aber Clutch hat recht, das klingt schon sehr nach dem Anfangsriff von „My Own Summer“, das ist ja auch ziemlich ikonisch. Ob die sich jetzt vor den Deftones verbeugen wollten oder dachten es merkt niemand, wer weiß.
        Ganz schlimm fand ich aber auch auf dem ersten Album schon den Klargesang, man hat den auf dem ganzen Album forciert und dabei konsequent ignoriert, dass der Shouter einfach kein besonders toller Sänger. Das hat teilweise so schief geklungen, dass man schon von grober Selbstüberschätzung sprechen muss. Hier scheint das ja wieder der Fall zu sein.

      6. BlindeGardine sagt:

        Sorry, den Klargesang auf dem zweiten Album.

    2. Mirko Pidde sagt:

      Du hast natürlich völlig recht. Da bin ich wohl mit den beiden Alben und ihren jeweiligen Gastsängern ein wenig durcheinander gekommen.

      Vielen Dank für Deinen Hinweis, habe ich direkt korrigiert.