Visions of Atlantis - The Deep & The Dark

Review

Tief unten auf dem Meeresgrund, wo Seefahrer seit jeher inmitten von Poseidons Reich ihr nasses Grab finden, liegt das sagenumwobene Atlantis. Der Mythos des antiken Inselreichs beschäftigt seit nunmehr knapp 20 Jahren auch die österreichischen Symphonic-Metaller von VISIONS OF ATLANTIS. Nachdem sich die Band 2013 nach diversen Besetzungswechseln beinahe komplett neu formierte, brechen sie mit „The Deep & The Dark“ einmal mehr auf um die maritimen Geheimnisse der versunkenen Seemacht zu ergründen. Kann das Quintett um das Sänger-Duo Clémentine Delauney und Siegfried Samer auf ihrem neuen Album die Hochkultur des verschollenen Kontinents wieder aufleben lassen oder sollte das Werk lieber in den Tiefen des Ozeans verschwinden?

VISIONS OF ATLANTIS – atmosphärische Reise durch den Symphonic-Metal-Ozean

Mit dem Opener „The Deep & The Dark“ eröffnen VISIONS OF ATLANTIS souverän ihr gleichnamiges Album. Das kurz gehaltene, düster anmutende Intro, die richtige Prise melodiöser Dramatik und der Chorus, der definitiv zum Mitsingen anregt, verschmelzen zu einer Nummer, die in jedem Fall gewaltiges Livepotential birgt. Die bereits erschienene Singleauskopplung „Return to Lemuria“ erzählt von dem innigen Wunsch der Rückkehr zu dem besonders in der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur populären Kontinenten. Musikalisch untermalt wird die Geschichte von verträumten Keyboard-Melodien, Power-Metal-typischem Doublebass-Donner und einem fetzigen Gitarrensolo gegen Ende des Songs. Auch die Gesangsparts der beiden Sänger harmonieren wunderbar miteinander. Allerdings ist hier und da dann doch ein Quäntchen zu viel Kitsch vorhanden. Komplett schnörkellos würde Symphonic Metal wohl auch nicht funktionieren, doch im Vergleich zu anderen Alben des Genres bleibt hier alles im vertretbaren Rahmen.

„Ritual Night“ überrascht mit Folk-lastigem Flötenspiel und der vollen Power von dem, was Vier- beziehungsweise Sechssaiter so hergeben. Wem bis hierhin die Vielschichtigkeit des Albums gefehlt hat, wird mit „The Silent Mutiny“ definitiv zufriedengestellt werden. Neben dem melodischen Wechsel von Dramatik und Schnelligkeit sticht besonders Clémentine Delauneys kraftvoller Gesang heraus. Auch „Book of Nature“ mit seinen orientalischen Melodieeinlagen und die emotionale Klavierballade „The Last Home“ werden dem bisherigen Gesamteindruck von „The Deep & The Dark“ absolut gerecht. Lediglich ein Funken mehr Härte würde dem Album an dieser Stelle sicher nicht schaden. Wie gut, dass es „The Grand Illusion“ gibt, welches mit seinem dicken Gitarrenriff gleich zu Beginn Segel in Richtung härterer Gefilde setzt. Während die wunderbare Stimme von Clémentine Delauney Teile des Songs beinahe komplett alleine zu tragen scheint, gehen Siegfried Samers Gesangsparts leider häufig unter. Die Hymne „Dead Reckoning“ wäre dank ihres heroischen Gitarrenintros in den 80ern wohl ein absoluter Arena-Rock-Hit gewesen, bietet mit packendem Keyboard-Intermezzo und dem explosiven Gitarrensolo jedoch weitaus mehr.

Mit den beiden letzten Songs „Words of War“ und „Prayer to the Lost“ schließt sich der Kreis. Ersteres feuert mit seinem sehr keyboardlastigen Sound noch einmal aus allen Symphonic-Metal-Kanonen, während die melancholische Power-Ballade einen sehr gefühlvollen Schlusspunkt setzt.

Tief, dunkel und abwechslungsreich

Auch wenn der Albumtitel sich mit Sicherheit auf die Weiten der Weltmeere bezieht, ist er durchaus bezeichnend für das Facettenreichtum von „The Deep & The Dark“. VISIONS OF ATLANTIS kreieren einen überzeugenden Sound, der alles vereint, was sich das Symphonic-Metal-Herz wünscht: atmosphärische Keyboard-Einlagen, episch-mitreißende Melodien, vielversprechende Gesangsparts und eine Menge Ohrwurm-Garanten. Allein die fehlende Portion Härte an den dramatischeren Stellen des Albums, sowie der große Kontrast zwischen Delauneys und Samers gesanglicher Leistung, der hin und wieder aufblitzt, könnte man den Österreichern ankreiden. Nichtsdestotrotz überzeugt das Gesamtpaket aus zehn gelungenen Songs vollends. Die Steirer halten unbeirrt ihren Kurs und ersegeln mit ihrer neusten Platte ein frühes Symphonic-Metal-Highlight 2018. „The Deep & The Dark“ ist letztendlich wie der Ozean selbst: mal ist er ruhig, besinnlich und vertraut, im nächsten Moment stürmisch, unbändig und tosend.

12.02.2018
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