Virus - The Black Flux

Review

Auf ihrem zweiten Album kommen die drei Norweger von VIRUS ohne Screams aus, haben außer einem weichen, warmen und fast bluesigen Gitarrensound keine Verzerrung nötig und verlegen sich in den Drumbeats auf swingig-rockige Patterns unerhörter Virtuosität. Abseits allen Rocks und aller „Sludge“ genannten Musik, und Lichtjahre vom Black Metal, dieser Musik mit totalem Dunkelheitsanspruch entfernt, ist „The Black Flux“ trotzdem ein einzigartig zäher, unaufhaltsamer Fluss von Energie und verdunkelt jedes Bewusstsein, dem es sich durch den Gehörgang nähert.

„The Black Flux“ ist ein Album von ungeahnter Kraft und Ausstrahlung. Es erscheint nicht logisch, dass sich eine ursprünglich aus dem Metalbereich stammende Band jetzt irgendwo zwischen den musikalischen Visionen eines Arvo Pärt, der schöpferischen Gewalt eines BOB DYLAN, der Einprägsamkeit einer schrägeren Version früher BLACK SABBATH und dem Sound einer 70s-Progband mit Stonereinflüssen bewegt. Hört man Stücke wie das eröffnende „Stalkers Of The Drift“ oder den alles hinter sich lassenden Titelsong, fühlt sich diese Mischung allerdings auf einmal intuitiv richtig an. Auch wenn sie, objektiv gesehen, kaum avantgardistischer sein könnte. Darin sind VIRUS den aus dem weiteren Umfeld stammenden ULVER nicht unähnlich, auch wenn sie rockzentrierter sind. Die Ähnlichkeit gilt auch für Carl-Michael Eides vollkommen unverbildete Stimme, die mit einem an ULVERs Garm erinnernden Charme gesegnet ist und die er ähnlich zielsicher einsetzt.

Die relative Einförmigkeit des Albums, das sich innerhalb von 50 Minuten auf neun Stücke ausdehnt, ist bestechend. Das heißt auch: Die psychedelischen, halb-cleanen Gitarrenmelodien, mit deren bewusster Dissonanz man nicht selten kämpfen muss, sind kein einzigartiger Zufall. Der eigenständig zwischen den kühnen Akkorden wandernde Bass, nicht selten mit Reggaeanklängen überraschend, ist ein reproduzierbares Stilelement. Das unaufhörlich groovende und doch die (zu Recht) im Mittelpunkt stehenden Riffs nur illustrierende Drumkit ist meisterhaft leger und doch diszipliniert gespielt. Dass sich alle Lieder auffällig ähneln ist sicherlich kritisierbar, kann aber auch als Stil sicher gedeutet werden. Mit jedem Hördurchgang wird klarer, dass VIRUS ganz genau wissen, was sie da tun.

„The Black Flux“ fließt, es reißt an der konventionellen Wahrnehmung, ohne sie über zu beanspruchen. Das Album drückt seinen Hörer hinab in einen obskuren Traum, vernebelt sein Bewusstsein und schickt ihn schlafwandelnd auf einen leitplankenlosen Highway über den kalten, schwarzen Ozean. VIRUS dosieren die Wachphasen so dezent, dass man trotzdem nicht ganz hineinfällt, den onyxfarbenen Wasserspiegel aber oft erschreckend nah erahnen kann. „The Black Flux“ ist ein Zeugnis großer kreativer Kraft und ein wunderbares, homogenes und Stil offenes Album von seltener Schönheit. Zudem ist es verpackt in eine Produktion, die die Musik atmen lässt, die Dynamik unterstützt und herrlich warm und zeitlos wirkt. So muss anspruchsvolle Rockmusik 2008 klingen.

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17.11.2008

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2 Kommentare zu Virus - The Black Flux

  1. deadwood sagt:

    Mit dem Arvo Pärt Vergleich hast du mich rumgekriegt. Solch gehaltvolle Rezensionen wünsche ich mir öfters hier!

    9/10
  2. Anonymous sagt:

    Preisfrage: Was ist an einer Handvoll Dissonanz, die innerhalb des Albums mehrmals (mit leichten Abänderungen) durch den Fleischwolf gerät, so "Avantgarde"? Nicht viel, es sei denn, man kriegt das scheinbar minimalistische Experiment so geschickt hin, dass es einem die Sprache verschlägt. Mir hat es eher die Wachsamkeit verschlagen, wie ungaublich langweilig das Album ist – ein einziges Plodding-Along-Festival für die einschlafenden Sinne. Offensichtlich wissen Virus selbst von ihren baldrianischen Fähigkeiten und bringen sie im mittig platzierten Instrumental voll auf den Punkt. Dann schon eher der hier erwähnte Arvo Pärt, auch wenn dieser an eingebildete "Freunde" glaubt…

    5/10