Vio-lence - Eternal Nightmare

Review

Dem Thrash wird hin und wieder schon mal in der heutigen Zeit konstatiert, im Metal ein totes Genre zu sein.
Dass dem nicht so ist, beweisen weiterhin die alten Haudegen von OVERKILL, METALLICA, MEGADETH mit neuen Alben im 2,3-Jahrestakt, aber auch neue interessante Bands wie ALIEN WEAPONRY, ANTI-PEEWEE, PRIPJAT und viele weitere.

Im Rahmen der Vergangenheitsaufbereitung und historischen Dokumentation in unserer BLAST FROM THE PAST-Reihe kann es nicht schaden, die ein oder andere vergessene Perle hier wieder hervorzuholen. Nicht zuletzt auch für jüngere Leser, die in der Zeit noch gar nicht existierten und somit in der heutigen Veröffentlichungsflut Schwierigkeiten haben dürften, die „alten“ Helden und Geheimtipps heute noch irgendwie kennenlernen zu können. Heute im Angebot: VIO-LENCE !

VIO-LENCE: Rob Flynn’s erste THRASH-Band

So gehe ich jede Wette ein, dass viele MACHINE HEAD-Fans gar nicht wissen werden, wo der Rob Flynn und Phil Demmel vorher denn die Äxte bedient haben.

Die Karriere von VIO-LENCE war zwar durchaus kurzweilig und auch die musikalische Qualität doch ein wenig schwankend, sie sind aber nichts desto trotz musikalisch gleich auf mit den bekannteren Nachfolgern, wenn auch aus anderen Gründen. Zumindest auf dieser Platte. Das Erstwerk „Eternal Nightmare“ wird neben den illustren Mitgliedern allerdings vor allem wegen dem unbändigen Charakter auf ewig in die Annalen des Thrash eingehen (zumindest meinen persönlichen)… und vielleicht auch wegen Sean Killians ungewöhnlichem Gesang. Dieser ist weit weg vom üblichen Gekreisch und Geschrei, das sonst so üblich ist.

Spielfreude, Abwechslung, kultige 80er – „Eternal Nightmare“ in a Nutshell

„Eternal Nightmare“ strotzt nur so vor Spielfreude, Aggressivität und Hits: Ob das rasende Abrissbirnen wie der Opener und Titeltrack sind,  so eingängige aber auch arschtretende Songs wie „Serial Killer“ und „Bodies on Bodies“, groovige Midtempobrecher („Phobophobia“) oder abwechslungsreiche Songs die beide Spektren bedienen wie „Calling in the Coroner“ und „T.D.S.“: Hier ist jeder Song ein Volltreffer.

Zur großen Bekanntheit hat es für VIO-LENCE dann leider nie ganz gereicht. Auch waren sie anno 1988 immer noch dem frühen punk-beeinflussten Thrash verschlagen und somit ein wenig „verspätet“: Während METALLICA und SLAYER zu dieser Zeit bereits eher langsamer wurden und mehr experimentierten (erschienen doch „South of Heaven“ und „And Justice for All“ in demselben Jahr), ist „Eternal Nightmare“ stilistisch noch ganz bei den meisten Debüts im Thrash anzusiedeln.

Denken wir nur an die Frühwerke von KREATOR, SLAYER, SODOM und METALLICA zurück: kurzweilig, schnell, aggressiv und erinnerungswürdig. Dasselbe gibt es auch auf „Eternal Nightmare“. Die Produktion mag durchaus heutzutage nicht mehr zeitgemäß sein (de facto war sie wahrscheinlich schon 1988 auch nicht mehr zeitgemäß), hier und da holpert es auch etwas in den Songs und ist nicht 100% „tight“ gespielt und auch an Sean Killians Gesang werden sich die Geister scheiden, aber das Instrumentale sollte man hier nicht vollkommen außer Acht lassen. Denn es gibt hier grandiose Riffs am Fließband und die  Unperfektion solcher Frühwerke macht gerade für mich die Authentizität und den Charakter in der Musik aus. Die Songs sind sehr hektisch, überschlagen sich an manchen Ecken teilweise fast und sind im allgemeinen recht chaotisch gehalten.

Was bei jeglichem modernen Metalalbum mittlerweile ein No-Go wäre, werte ich hier vollumfänglich positiv: „Eternal Nightmare“ steht bei mir in einer Liga wie das Debüt „Bonded by Blood“ von EXODUS, KREATORs „Pleasure to Kill“, TESTAMENTs „The Legacy“, FORBIDDENs „Forbidden Evil“ und weiteren Thrash-Klassikern, was die musikalische Qualität angeht.

VIO-LENCEs „Eternal Nightmare“ wird zu Unrecht überschaut

„Eternal Nightmare“ hat vielleicht nicht ganz den Kultcharakter und die rohe, primitive Gewalt wie andere Thrash-Klassiker haben („Kill ‚em all“, „Reign in Blood“), besitzt aber stellenweise sehr viel mehr Raffinesse, traut sich auch durchaus mal vom Gaspedal zu gehen und auch längere Songs oberhalb der drei bis vier Minuten dem Hörer zuzumuten. Und es funktioniert!

Weitere Einflüsse aus Crossover und Hardcore verschmelzen bei den Oaklandern zu einem kohärenten Ganzen: Gangshouts, beinahe schon gerappte Strophen, Breaks zur Auflockerung. Was später Bands wie ANTHRAX perfektioniert haben, konnte man hier in den Kinderschuhen schon vernehmen.

Für Historiker und Komplettionisten sowieso unverzichtbar, aber jeder der heute GAMA BOMB,  MUNICIPAL WASTE und LICH KING abfeiert, sollte vielleicht mal das Original antesten und anschließend anerkennend feststellen, dass ohne die Pionierarbeit von Bands wie VIO-LENCE solche Bands heute fast nicht denkbar wären.

08.01.2019
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