Vinterland - Welcome My Last Chapter

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Schweden, Mitte der Neunziger: Bands wie DISSECTION, SACRAMENTUM, UNANIMATED und NAGLFAR definieren einen Melodic Black/Death Metal-Sound, der auch 25 Jahre später seine Nachahmer findet, gleichzeitig aber so typisch für seine Entstehungsepoche ist. Eine Band, die hier eher am Rande erwähnt wird, ist VINTERLAND aus Kvicksund westlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Dass sie nicht zu den Superstars der Szene aufstiegen, liegt zu einem gewissen Teil sicherlich daran, dass sie 1996 mit „Welcome My Last Chapter“ lediglich ein Studioalbum veröffentlichten (das aber immerhin über die Platzhirsche No Fashion Records) und sich ein Jahr später auflösten. Dass das Trio aber in dieser Listung unbedingt genannt werden muss, ist unbestritten.

„Welcome My Last Chapter“ vereint Kälte, Melancholie und Ferne

Denn „Welcome My Last Chapter“ vereint alle Vorzüge, die Schweden Mitte der Neunziger in dieser Hinsicht zu bieten hatte. Da wäre die klirrende Raserei zu nennen, die schrammelnden Riffs, die immer wieder von gezupften Gitarren ergänzt oder abgelöst werden, aggressiver Krächzgesang und nicht zuletzt der verhallte Sound. Ein Sound also, der Kälte, Melancholie und Ferne auf so geschickte Weise miteinander vereint.

Das Opener-Duo „Our Dawn Of Glory“ und „I’m An Other In The Night“ punktet mit einem Überfluss an rasenden Gitarrenläufen, die nach Lehrbuch zu einem stimmigen Ganzen verbunden werden. Aber VINTERLAND verstehen sich beileibe nicht nur auf Raserei: „So Far Beyond (The Great Vast Forest)“ ist ein lediglich auf dem Flügel vorgetragenes Stück, das nicht nur durch das anfangs eingespielte Wolfsgeheul in einen finsteren Winterwald entführt. Wer sich an „Silhouette“ vom OPETH-Debüt erinnert fühlt, liegt sicherlich nicht verkehrt. Danach folgt mit „A Castle So Crystal Clear“ ein moderates Stück, das gezupfte Gitarren, „erzählende“ Leadgitarren und dezente Keyboards auffährt und nur ab und zu das Tempo verschärft.

Andere Richtungen, wenige Wiederholungen

Anders als DISSECTION setzen VINTERLAND weniger auf Eingängigkeit, sondern schlagen immer wieder andere Richtungen ein, wodurch das Album zunächst wie der komplette Überfluss wirkt. Ohne dabei aber sperrig zu sein: „As I Behold The Dying Sun“ zum Beispiel fährt nach einem gezupften Intro eine Melodie zum Niederknien auf – die allerdings auch nicht durch häufige Wiederholung totgeritten wird.

„Welcome My Last Chapter“ ist so gesehen eine geglückte Gratwanderung zwischen Eingängigkeit und Vielseitigkeit. Das Album schmeichelt sich nicht sofort ins Ohr ein und benötigt ein paar Hördurchgänge, nutzt sich dadurch allerdings auch nicht ab. Das dürfte allerdings ein weiterer Punkt gewesen sein, weswegen VINTERLAND nicht in der ersten Reihe der schwedischen Melo Black Metal-Bands standen, sondern eher in der Kategorie „Geheimtipp“ liefen.

VINTERLAND blieben ein Geheimtipp

Dass der Albumtitel den später vollzogenen Split der Band vorwegnahm, mag Zufall gewesen sein. VINTERLAND sind allerdings seit 2011 wieder in der klassischen Besetzung mit D.F. Bragman (Gesang, Gitarre), Pehr Larsson (Gitarre) und Anders Jonsson (Schlagzeug) aktiv, zumindest live. Als weiteres Lebenszeichen kann die jetzt erschienene Wiederveröffentlichung von „Welcome My Last Chapter“ auf Black Lodge gelten. Ursprünglich in den Unisound Studios aufgenommen, wurde die Scheibe nun einem Remaster unterzogen, der allerdings von Dan Swanö selbst fachgerecht erfolgte und den Sound nicht zu knallig erscheinen lässt. Wer es old school mag, für den dürfte zudem das Schlagzeugspiel eine Wohltat sein: Der Drummer spielte nämlich offensichtlich ohne Klick, und so sind leichte Temposchwankungen zu hören. Eigentlich eine der natürlichsten Sachen auf der Welt, die aber bei modernen Produktionen nicht mehr vorkommt.

Wer also die anfangs genannten Bands und Referenzen als essenziell erachtet und das Album bislang noch nicht hat, kann bedenkenlos zugreifen.

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09.02.2022

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7 Kommentare zu Vinterland - Welcome My Last Chapter

  1. Watutinki sagt:

    Boah Alter, da habt ihr ja was ausgegraben! Wie ich dieses Album damals gesuchtet habe und das obwohl ich mit DISSECTION, SACRAMENTUM, UNANIMATED und NAGLFAR nicht soviel anfangen kann. Vinterland ist schwedischer BM, wie ich ihn mir nicht besser vorstellen kann. Eisige, melancholische Hymnen aus der tiefsten Winternacht, die trotz ihrer sehr melodischen Schönheit, auch im Kontrast den härteren Klängen Tribut zollen. In erster Linie sind es aber diese edlen, endgeilen Melodien die einen völlig in den Bann ziehen. Ein Album für die Ewigkeit, leider ist es bei dem einen Album geblieben. Aber wer weiß, ob Vinterland jemals wieder an diese Klasse angeschlossen hätten, denn One hit wonder gibt es ja zu genüge, da schiele ich vor allem in Richtung Taake.
    Ob das Remastering etwas taugt, da habe ich große Zweifel. I.d.R. sollte man beim Original bleiben, wenn die Produktion nicht vollends missraten ist. Ich habe den Eindruck, dass man mit dem Remastering etwas die Power verloren hat, zu Gunsten eines differenzierteren Sounds (fraglich, ob das hier notwendig ist). Die Power und Dynamik sind aber Bestandteile, die dieses Album u.a. ausmachen. Aber ich werde mich dem noch mal intensiver widmen. Volle, dicke 10 Punkte für das Original, so far…

    10/10
  2. casualtie78 sagt:

    Sehr geniale Scheibe. Damals wie heute. Die Melodien haben mich gleich geflasht und das ist auch so geblieben. Dazu noch die perfekte Produktion…..ach ja,n alter Sack ist wieder jung *haha*.

    10/10
  3. der holgi sagt:

    bis dato war mir Vinterland kein Begriff, schade, das hätte ich damals wohl sehr gefeiert, heute hat es für mich doch ein wenig zu viel Patina, da hat sich ja einiges getan im Genre, was nicht abwertend ankommen soll

  4. Pieron sagt:

    Eines der Alben, die damals wie heute einfach geil waren und immer noch sind. Damals kennengelernt durch den No Fashion Labelsampler

    10/10
  5. doomed-forever sagt:

    War 1996 geil (als LP) 2010 als Limited Edition aus Mexico via Distro online gekauft, weil in DE sofort ausverkauft gewesen, und das Album ist in 2022+ immer noch eine sehr coole Scheibe. Mich ärgert es nur sehr, das die Jungs niemals einen Nachfolger zumindest kreiert haben, somit war es außer der Demo nur eine Scheibe…eben diese. Da können sich die ganzen Kiddies mit 20+ eine Scheibe heutzutage abschneiden.

    Schade nur, das a) die 2022er Fassung als LP (purple) schon lange ausverkauft ist, b) kein Gatefold und c) kein 2-LP Set, soundtechnisch ist das Schwachsinn, alles auf einer LP aufgeteilt, klangtechnisch.

    Das „Freezing Moon“ Cover ist das Beste, was ich gehört habe, nach dem Mayhem Original mit Dead natürlich.

    9/10
  6. Mafo77 sagt:

    Watutinki hat das total super beschrieben! Bezüglich der neuen Version kann ich nichts sagen, hab ich nicht und werde ich mir nicht besorgen. Das Album hat über die Jahre nichts von seiner Magie verloren. Fans von unanimated (ancient god of evil) und naglfar (vittra zeiten) dürfen natürlich trotzdem reinhören…

    10/10
  7. TerraP sagt:

    Hab das Album nur durch diese Review entdeckt, finde die sehr treffend und höre es seitdem immer wieder. Gibt wenige Alben, die so eine Langzeitwirkung bei mir entfalten. Finde auch die Drums endgeil. Und es passt einfach von vorne bis hinten, der Sound, die einzelnen Songs, der Spannungsbogen des Albums.

    10/10