Vinegar Hill - Earthbound

Review

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Wenn man wie die Österreicher VINEGAR HILL eine stetige Entwicklung von bescheidenen Anfängen hin zu einem Album wie „Ghost Flowers“ hingelegt hat, bei dem man die Herren um Gitarrist und Sänger Michael Dresching nun endlich als „angekommen“ bezeichnen kann, dann kann die sich darauf stellende Frage durchaus lauten, wohin es danach geht. Für die Österreicher heißt es auf dem hier vorliegenden, neuen Album „Earthbound“ scheinbar: Warum sollte man etwas reparieren, wenn es nicht kaputt ist? Ja, warum auch? Der Sound, der sich die Rosinen aus IN FLAMES‘ 2000er Melodeath-Phase und einigen der sanfteren Phrasen aus dem Katalog von DARK TRANQUILLITY etwa ab „Haven“ speist, wird abermals auf den Punkt getroffen.

Ein bisschen 2000er-Melodeath-Nostalgie gefällig?

Einer aufsteigenden Band wie dieser wünscht man an dieser Stelle, dass sie den Mut fasst um den eigenen Sound noch weiter zu ergründen und ihr gewisses Etwas zu entwickeln, ihr Ausrufezeichen zu setzen. VINEGAR HILL bleiben über den Großteil der Spielzeit von „Earthbound“ jedoch bei ihren Leisten, was bei den knackigeren Cuts der Marke „Whispering Walls“, „Fiction“ oder „The Dream Tale“ auch bestens funktioniert, weniger allerdings bei den sicher epochaler gedachten Momenten, gerade wenn die clean gesungene Hook wie in „Tender Pain“ wahrscheinlich diesen mitreißenden Melodiebogen beschreiben soll, aufgrund mangelnder Stimmbildung aber nicht so richtig abheben kann. Das passiert leider in einigen Songs, in denen mehr auf Dramatik als auf Power gesetzt wird. Die Stanne-Gedenk-Shouts sitzen dagegen wie eine 1.

Ein Kardinalfehler, den sich die Herren zudem zu Schulden kommen lassen, ist die schiere Länge des Albums von 64 Minuten. Das ist einfach zu viel für so eine Platte, die im Kern wahrscheinlich am ehesten auf die Nostalgie der Generation baut, die heuer die 3 im Zähler ihr eigen nennt. Die Rechnung geht auf, keine Frage, und der Sound der Band funktioniert auch, aber eben nicht über die Dauer von über einer Stunde hinweg, zumal sich die echt cleveren Ideen von „Earthbound“ definitiv erst in der zweiten Albumhälfte tummeln. So langatmig ein „King’s Landing“ etwa ist, der Instrumental-Teil zeigt definitiv, dass da mehr drin steckt, wenn beispielsweise packende Göteborg-Licks mit eingestreuten 6/4-Phrasen in das eigentliche Solo einleiten.

VINEGAR HILL liefern eine etwas überfüllte Fortsetzung von „Ghost Flowers“

Es ist ein kleines aber feines Detail, das jedoch gleich wieder die Aufmerksamkeit des Hörers einfordert. Es geht doch! Oder man höre die richtig straff in Szene gesetzten Blastbeats zu Beginn von „In Reverse“, die mal kurze etwas in Richtung Atmospheric Black Metal vermuten lassen, zumindest bis der Song wieder in den bis dahin längst gewohnten Modus zurückkehrt. Oder der abschließende Titeltrack, der mittendrin eine richtig packende Melodie über triolischem Rhythmus herüber galoppieren lässt, ehe der Song einen Refrain später seinen Höhepunkt in unerwartet feinsinnig arrangierten Synth-Streichern findet.

Das ist das frustrierende an „Earthbound“: Es steckt so viel Kreativität in der Musik drin, die man mit einem Schubs in die richtige Richtung locker in voller Pracht aufblühen lassen könnte, mit denen die Österreicher locker über den eigenen respektive den Göteborger Schatten springen könnten. Dabei soll nicht angedeutet werden, dass „Earthbound“ in seiner jetzigen Form ein schlechtes Album wäre. Es hat nur eben nicht den gleichen Impakt wie seinerzeit „Ghost Flowers“, bei dem sich aus einer durchschnittlichen eine richtig gute Band entwickelt hatte. Dass VINEGAR HILL an diesem Punkt angelangt sind, haben sie bereits gezeigt. „Earthbound“ hätte der Punkt sein sollen, an dem es weiter bergauf geht.

Nun ja, zumindest geht es nicht bergab …

05.04.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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