Ville Valo - Neon Noir

Review

Als Frontmann der finnischen Düsterrocker HIM (His Infernal Majesty) wurde Ville Valo zum Ende der 1990er und frühen 2000er weltweit bekannt. Aus der düsteren Kälte Finnlands erhob sich die infernalische Majestät mit niemals ausgehender Kippe im Mundwinkel und legte mit dem Debüt „Greatest Lovesongs Vol. 666“ sowie Hits wie „When Love And Death Embrace“ und dem Chris Isaak Cover „Wicked Game“ bereits einen beachtlichen Start hin. Krachende Riffs treffen auf Texte über Liebe und Tod, welche vom düster-androgynen Frontmann mit einer Mischung aus Grabesstimme und romantischem Zuckerguss veredelt werden.

Der Durchbruch erfolgte allerdings mit dem Nachfolger „Razorblade Romance“. Der Überhit „Join Me“ mit seiner unverkennbaren Melodie läuft auf Dauerrotation in den Radios und auch Songs wie „Right Here In My Arms“ und „Poison Girl“ gehören zu den bekanntesten Songs der Band. Nach dem ebenfalls sehr erfolgreichen, jedoch allgemein etwas durchwachsener aufgenommenen „Deep Shadows And Brilliant Highlights“, folgte mit „Love Metal“ schließlich der kreative Höhepunkt.

Anschließend hinterließ die steile Erfolgskurve jedoch Spuren. Der Alkohol hatte den Frontmann stark im Griff und trotz Entzug und weiteren sehr guten bis soliden Alben, gab die Band 2017 ihre Abschiedstour mit anschließender Auflösung bekannt. Abgesehen von ein paar Nebenprojekten wurde es anschließend still um den Frontmann, der zu erfolgreichsten Zeiten sogar mit einer modernen Version von Lord Byron und Jim Morrison verglichen wurde. Jetzt meldet er sich mit seinem ersten Soloalbum „Neon Noir“ zurück.

Ville Valo – das Heartagram erhebt sich

Eröffnet wird die Rückkehr vom locker-flockigen Rocker „Echolocate Your Love“. Die Melodien sind für sich genommen stark und einprägsam wie immer, jedoch ist der Song als Einstieg zur triumphalen Rückkehr vielleicht ein wenig zu seicht und poppig geraten. Die Düsternis, welche die poppige Seite von HIM perfekt ausbalancierte und zur genialen Erfolgsmischung führte, fehlt hier leider komplett. Das folgende „Run Away From The Sun“ nähert sich dem zum Glück wieder etwas mehr an und klingt wie eine rockigere Version der norwegischen Pop-Legenden A-ha.

Beim Titelsong werden dann am stärksten Erinnerungen an die Vorgängerband wach und dieser hätte auch gut einen Platz auf der „Deep Shadows“ finden können. Das hochmelodische „The Foreverlost“ hingegen hätte sich auf der poppigen „Screamworks: Love In Theory And Practice“ wohlgefühlt. Auch das etwas härter drehende „Salute The Sanguine“ schließt sich dem an.

„Neon Noir“ – vereint zum Comeback alle wichtigen Trademarks

Das düster-driftende „Heartful Of Ghosts“ schlägt entsprechend seinem Titel nachdenklichere Töne an und Fans der „Venus Doom“ dürften sich bei „Saturnine Saturnalia“ zur Feier ein großes Glas Rotwein eingießen. Nach diesem schweren Brocken lebt Ville zum Schluss mit „Vertigo Eyes“ noch mal seine Leidenschaft für melancholische Popsounds aus.

Zusammengefasst findet man auf „Neon Noir“ alle Facetten und Trademarks, die Ville Valo bekannt und von seinen Fans verehrt gemacht haben. Vielleicht schlägt der poppige Anteil an manchen Stellen wie bereits bei „Screamworks“ etwas zu stark aus, aber Ville schafft es trotzdem immer geschickt alles wieder rechtzeitig in die richtige Bahn zu lenken, bevor der Zuckerwert zu stark ausschlägt. Somit lässt man ihm auch Momente durchgehen, bei denen man bei anderen Künstlern die Augenbraue weit nach oben ziehen würde.

Das Album besitzt einen allgemein luftigen Spirit, so als ob der Sänger trotz Zigarettenrauch nach langer Zeit endlich wieder frei durchatmen könnte. Bleibt zu wünschen, dass er sich dieses befreite Gefühl beibehält und die Rückkehr von längerer Dauer ist. Denn um von der musikalischen Bildfläche zu verschwinden wäre es für diesen Ausnahmekünstler definitiv noch zu früh.

06.01.2023
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