Ville Valo - Neon Noir

Review

Soundcheck Januar 2023# 8

Als Frontmann der finnischen Düsterrocker HIM (His Infernal Majesty) wurde Ville Valo zum Ende der 1990er und frühen 2000er weltweit bekannt. Aus der düsteren Kälte Finnlands erhob sich die infernalische Majestät mit niemals ausgehender Kippe im Mundwinkel und legte mit dem Debüt „Greatest Lovesongs Vol. 666“ sowie Hits wie „When Love And Death Embrace“ und dem Chris Isaak Cover „Wicked Game“ bereits einen beachtlichen Start hin. Krachende Riffs treffen auf Texte über Liebe und Tod, welche vom düster-androgynen Frontmann mit einer Mischung aus Grabesstimme und romantischem Zuckerguss veredelt werden.

Der Durchbruch erfolgte allerdings mit dem Nachfolger „Razorblade Romance“. Der Überhit „Join Me“ mit seiner unverkennbaren Melodie läuft auf Dauerrotation in den Radios und auch Songs wie „Right Here In My Arms“ und „Poison Girl“ gehören zu den bekanntesten Songs der Band. Nach dem ebenfalls sehr erfolgreichen, jedoch allgemein etwas durchwachsener aufgenommenen „Deep Shadows And Brilliant Highlights“, folgte mit „Love Metal“ schließlich der kreative Höhepunkt.

Anschließend hinterließ die steile Erfolgskurve jedoch Spuren. Der Alkohol hatte den Frontmann stark im Griff und trotz Entzug und weiteren sehr guten bis soliden Alben, gab die Band 2017 ihre Abschiedstour mit anschließender Auflösung bekannt. Abgesehen von ein paar Nebenprojekten wurde es anschließend still um den Frontmann, der zu erfolgreichsten Zeiten sogar mit einer modernen Version von Lord Byron und Jim Morrison verglichen wurde. Jetzt meldet er sich mit seinem ersten Soloalbum „Neon Noir“ zurück.

Ville Valo – das Heartagram erhebt sich

Eröffnet wird die Rückkehr vom locker-flockigen Rocker „Echolocate Your Love“. Die Melodien sind für sich genommen stark und einprägsam wie immer, jedoch ist der Song als Einstieg zur triumphalen Rückkehr vielleicht ein wenig zu seicht und poppig geraten. Die Düsternis, welche die poppige Seite von HIM perfekt ausbalancierte und zur genialen Erfolgsmischung führte, fehlt hier leider komplett. Das folgende „Run Away From The Sun“ nähert sich dem zum Glück wieder etwas mehr an und klingt wie eine rockigere Version der norwegischen Pop-Legenden A-ha.

Beim Titelsong werden dann am stärksten Erinnerungen an die Vorgängerband wach und dieser hätte auch gut einen Platz auf der „Deep Shadows“ finden können. Das hochmelodische „The Foreverlost“ hingegen hätte sich auf der poppigen „Screamworks: Love In Theory And Practice“ wohlgefühlt. Auch das etwas härter drehende „Salute The Sanguine“ schließt sich dem an.

„Neon Noir“ – vereint zum Comeback alle wichtigen Trademarks

Das düster-driftende „Heartful Of Ghosts“ schlägt entsprechend seinem Titel nachdenklichere Töne an und Fans der „Venus Doom“ dürften sich bei „Saturnine Saturnalia“ zur Feier ein großes Glas Rotwein eingießen. Nach diesem schweren Brocken lebt Ville zum Schluss mit „Vertigo Eyes“ noch mal seine Leidenschaft für melancholische Popsounds aus.

Zusammengefasst findet man auf „Neon Noir“ alle Facetten und Trademarks, die Ville Valo bekannt und von seinen Fans verehrt gemacht haben. Vielleicht schlägt der poppige Anteil an manchen Stellen wie bereits bei „Screamworks“ etwas zu stark aus, aber Ville schafft es trotzdem immer geschickt alles wieder rechtzeitig in die richtige Bahn zu lenken, bevor der Zuckerwert zu stark ausschlägt. Somit lässt man ihm auch Momente durchgehen, bei denen man bei anderen Künstlern die Augenbraue weit nach oben ziehen würde.

Das Album besitzt einen allgemein luftigen Spirit, so als ob der Sänger trotz Zigarettenrauch nach langer Zeit endlich wieder frei durchatmen könnte. Bleibt zu wünschen, dass er sich dieses befreite Gefühl beibehält und die Rückkehr von längerer Dauer ist. Denn um von der musikalischen Bildfläche zu verschwinden wäre es für diesen Ausnahmekünstler definitiv noch zu früh.

06.01.2023

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12 Kommentare zu Ville Valo - Neon Noir

  1. Lysolium 68 sagt:

    😂
    Ungelogen, ich habe gestern „Join me“ vor mich hingepfiffen und mich gefragt ob die immer noch was machen…

  2. Watutinki sagt:

    Den einen Song den ich mal vor ein paar Wochen von ihm gehört habe, klang so wie früher in glattpoliert und langweilig. Nichts was ich jetzt unbedingt herbeisehne. Da kann ich jedem nur lieber Then Comes Silence empfehlen, die 2022 auch ein neues Album rausgebracht haben, das ich leider nicht ganz so stark finde, wie den Vorgänger.

  3. nili68 sagt:

    >ich habe gestern „Join me“ vor mich hingepfiffen<

    Vielen Dank, jetzt habe ich den Ohrwurm auch, durch die bloße Erwähnung. 🙁 😀

  4. Nici67 sagt:

    Ein wirklich gelungenes Album, wenn auch nicht unbedingt über die gesamte Länge. Zu den Highlights gehören sicherlich Run away from the Sun, Neon Noir und Saturnine Saturnalia.

    7/10
  5. Watutinki sagt:

    Junge Junge, viel habe ich nicht erwartet, aber das unterbietet es noch mal deutlich. Der Begriff Fluffig aus dem Review ist äußert passend. So Fluffig, das wirklich jede Intensität komplett über Bord geht. Das ist tlws. selbst für’s Bürger-Radio zu seicht. Damit hat sich der Valo keinen Gefallen getan, das ist die HIM Super Light Variante und zwar in jeder Hinsicht. Im Kaufhaus als Hintergrundberieselung wäre ich angenehm überrascht, aber mehr ist hier nicht drin. Und ich mag die alten Sachen von HIM tlws. sehr, aber das hier ist so seicht, dass es schon als Schmalz aus den Ohren läuft. HIM live aus dem Seniorenheim, noch langweiliger geht’s kaum. Selbst das letzte Ramazotti Album ist weitaus interessanter, intensiver und hat mehr Würde. Einfach nur peinlich, wie krass sich jemand dem Mainstream anbiedern kann. Neon Noir? In der BRAVO oder Pop Rocky (gibts das noch?) wäre es richtig aufgehoben.

    5/10
  6. Watutinki sagt:

    Also jeder so wie er mag, aber dass laut.de – die in Sachen Metal eigentlich nur Metallica kennen – das Album so dermaßen anders, kritischer bewertet, als metal.de selbst, ist schon ertaunlich. ;))
    https://www.laut.de/Ville-Valo/Alben/Neon-Noir-119807

  7. Laniakea sagt:

    Du bist da sicher etwas Großem auf der Spur. Anscheinend lässt dich das Album doch nicht los, sonst würdest du nicht zwei Wochen nach Release immer noch hier rumhampeln und in gewohnter Manier Unsinn verzapfen :^)

  8. Watu sagt:

    „Du bist da sicher etwas Großem auf der Spur. Anscheinend lässt dich das Album doch nicht los, sonst würdest du nicht zwei Wochen nach Release immer noch hier rumhampeln und in gewohnter Manier Unsinn verzapfen :^)“

    Ich finde halt die Aussage aus dem laut Review sehr zutreffend „Generell fehlt es (…) dem Hörer an Vorstellungskraft, dass Valo so was selbst gerne hört“
    Das trifft es sehr genau. Das ist meiner Meinung nach ein Album, dass so dermaßen maximal auf Radiotauglichkeit getrimmt ist, dass es wirklich weh tut. Das ist nie und nimmer die Mucke, die der Musiker erschaffen würde, wenn es ihm wirklich um die Musik ginge. Die Durchschnitts-Wertung im Soundcheck (5.9) gibt das auch recht gut wieder. 8 P. ist für mich weder supbjektiv noch objektiv nachvollziehbar. Zumal hier im Review die Kritikpunkte auch durchaus angesprochen werden, bei der schlußendlichen Bewertung dann aber scheinbar der Mut fehlte, dem auch Rechnung zu tragen.

  9. nili68 sagt:

    >Das ist nie und nimmer die Mucke, die der Musiker erschaffen würde, wenn es ihm wirklich um die Musik ginge.<

    Du hast einfach zu wenig Phantasie, bzw. kennst die Menschen nicht gut genug. 😉

  10. Se Wissard sagt:

    Tolles Album, acht Punkte!

    8/10
  11. Seppelhutura sagt:

    Mir gefällt es auch sehr gut. Muss dafür in der richtigen cheesy Stimmung sein, aber dann ist es echt klasse.

    8/10
  12. Watu sagt:

    Völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwunden diese Schlaftablette, gut so.
    Leider gilt das auch für ein anderes Album, das man mal aus der Versenkung hervorrufen sollte, weil es das einfach verdient hat. :))
    Und weil die Kommentar Funktion da nicht funktioniert (zumindest nicht bei mir).
    https://www.metal.de/reviews/cvlt-ov-the-svn-we-are-the-dragon-421581/#