Vile Creature - Cast of Static and Smoke
Review
Bei VILE CREATURE haben wir es mit zwei Kanadiern zu tun, die in diesem Projekt ihre Vorliebe für zweierlei ausleben: Zum einen für extrem rabiaten, verzerrten Sound zwischen Death, Sludge, Doom, Noise und Wahnsinn, zum anderen für Science-Fiction-Stories von apokalyptischem Ausmaß, zumindest auf der hier vorliegenden zweiten Full-Length. Dabei tut der Bandname den zwei ganz Unrecht, sie sehen eigentlich ganz niedlich aus, so dass man den Herrschaften eine derartig fiese, sperrige Musik und ein derart ausgefeiltes Textkonzept gar nicht zugetraut hätte. Zumal auch die textliche Ausrichtung auf den vorigen Werken ein wenig anders war als auf „Cast Of Static And Smoke“, die Musik allerdings nicht weniger schroff und fies. Dabei sollte man den Herrschaften nicht Unrecht tun und sie aufgrund des Hipster-Vibes vorschnell ins Abseits stellen.
Don’t judge a book by its cover oder so ähnlich.
VILE CREATURE besingen die Erde nach der Apokalypse
Dabei fängt bei VILE CREATURE alles so schön an: Vogelgezwitscher und ein paar einsame Chords eröffnen „Cast of Static and Smoke“ mit Erzählerstimme, die in die Story einführt, bevor es ab der 2-Minuten-Marke nichts mehr mit seliger Ruhe ist: erste fiese Sludge Riffs im Kriechgang mit reichlich Reverb kommen dreckig aus ihren Ecken hervorgesprungen. Dazu gesellt sich später der Kreischgesang von Schlagzeugerin Vic, die mit dem Gitarristen KW wechselt (am Gesang wohlgemerkt). Das Textkonzept, das dem Album zugrunde liegt ist wahrhaft apokalyptisch: Nach nuklearem Winter, mit dem sich die Menschheit nun vollständig vor die Wand gefahren hat, kreieren die paar überlebenden Brains Roboter als Sklaven, um die Restzivilisation wieder aufzubauen. Die Helferlein bauen Kuppeln, unter denen die Menschen vor Strahlung, Hitze und Naturgewalten geschützt sind, graben neues Grundwasser ans Tageslicht (das alte ist ja verseucht) und fangen neuen Ackerbau an. Dabei wird ihnen Intelligenz gegeben, aber nicht zu viel.
Die „Ingenieure“ sind auf sie angewiesen zum Wiederaufbau und die Roboter auf die Ingenieure, um gewartet zu werden, eine symbiotische Beziehung. Eines Tages kommt es aber wie es kommen muss … Als es im Rahmen von Wartungsarbeiten außerhalb der Kuppel beim Entfernen eines Baumes, der droht, unter die Fundamente der Mauer zu wachsen und sie zu beschädigen, zu Problemen kommt, erleiden die Maschinen einen Kurzschluss, die Intelligenzbeschränkung wird aufgehoben und sie sehnen sich nach Autonomie. Somit beschließen sie erst einmal die Welt draußen zu erkunden, ihre Arbeit abzulegen und die Menschen zu verlassen … Wie es an dieser Stelle weiter geht, verrate ich nicht, nur so viel: Es geht desolat und depressiv, beinahe existentialistisch, weiter.
„Cast Of Static And Smoke“: Korrosives Riffing, gähnende Langeweile
Das bei diesem coolen Konzept die Musik ein wenig kurz kommt ist schade. „Cast Of Static And Smoke“ ist nach APOPHYS‘ Dreher die zweite Platte in letzter Zeit, die ein spannendes, ambitioniertes Konzept hat, das leider musikalisch nicht ganz so interessant wiedergegeben wird. Zwar macht die Wall-Of-Sound-Beschallung oberflächlich ordentlich was her – der Sound ist kratzig und erinnert tatsächlich an alte, rostende Schrotteile irgendwelcher Maschinen – aber das reicht nicht aus um über 40 Minuten zu unterhalten. Die Abwechslung bleibt hier definitiv auf der Strecke. Das ist bei Songlängen von mindestens 8 Minuten bis zu beinahe 14 Minuten aber bitter nötig. Da helfen auch kurze Rückgriffe auf das Eingangsintro und kurz eingeschobene Melodien oder zwei Pianoakkorde zu Anfang wie im dritten Track „Forest, Subsists As A Tomb“ nicht, wenn vorher der Rezensent aufgrund schnarchender Langeweile beinahe eingenickt ist.
Dabei reicht das repetitive Geschrammel und die Amp-Vergewaltigung weder dafür, Noise und Drone-Jünger glücklich zu machen, dafür wird zu wenig Atmosphäre, Emotion oder Trance durch die Wiederholung induziert, noch reicht es, um für schlichte Metal-Songs Pate zu stehen. Wobei das vielleicht in Anbetracht auf das Konzept sogar beabsichtigt war: den Hörer parallel zur Story auch Langeweile, Missmut und Verzweiflung spüren zu lassen (aus allerdings anderen Gründen, die was mit der Musik und nicht dem Konzept zu tun haben). Schade drum. Manch ein Drone/Sludge/Noise-Fan mag dies vielleicht anders sehen, aber ich würde das Reinhören vor dem Kauf definitiv anraten! Möglicherweise ist manchen aber auch die Geschichte Kaufgrund genug.