VIIKATE, 1996 als Duo gegründet, später zum Quartett erweitert, gehören seit Jahren zu den in Finnland beliebtesten Gruppen, weigern sich jedoch standhaft, Texte in einer anderen als der finnischen Sprache zu verfassen, und das dürfte der Hauptgrund dafür sein, weshalb ihr Label es bislang unterlässt, sie außerhalb ihres Heimatlandes zu bewerben. Damit entgeht vielen Menschen eine ganze Menge, denn VIIKATE sind eine außergewöhnliche, ja einzigartige Band. Obwohl sie ihr Süppchen durchaus mit typischen Rock/Metalzutaten köcheln, sind sie stilistisch keinen Vergleichen zugänglich. Als „dismal rural folk rock metal“ wird ihr persönliches Genre auf einer Fanseite bezeichnet, und das ist eine schöne und zutreffende Charakterisierung.
Nur dass VIIKATE wenig mit Folkrock/Metal im herkömmlichen Sinne zu tun haben, man also nichts in der Art von SKYCLAD oder IN EXTREMO erwarten sollte. Die Zielgruppe ist eher jene, die etwas mit AMORPHIS, TIMO RAUTIAINEN oder SENTENCED anfangen kann. Nicht, dass VIIKATE so klingen würden wie die eben Genannten; eine gewisse Herangehensweise, eine Haltung verbindet sie aber mit diesen, jedenfalls was den metallischen Teil ihrer Musik betrifft. Allgegenwärtig und vollständig mit diesem verschmolzen ist jedoch auch ein Faible für Folklore, klassische finnische Komponisten und alte Filmmusik, wodurch VIIKATE einmalig und unverwechselbar werden.
„Marraskuun Lauluja“, die „Novemberlieder“, erschienen im Abstand von einigen Monaten auf zwei CDs – Nr. 2 ist das schwermütigere und introvertierte Geschwisterkind der beiden, das mit Vorliebe einsam durch finnische Herbstnebel streift und tendenziell freudlosen Gedanken nachhängt. Nichtsdestoweniger hat es massig Metal im Blut! In den zumeist im Midtempo angesiedelten Stücken stehen klar die massiven Gitarrenwände und die melodischen Leads im Vordergrund, die aber vollkommen mit hin und wieder eingesetzten Akustikgitarren und Violinen harmonieren. Hinzu kommt markanter und für Rock/Metal untypischer Klargesang. Bandchef Kaarle Viikate bringt seine Texte von dunnemaligen Hungerwintern und Existenzängsten spätkultureller Menschen mit einer angenehm dunklen, ruhigen und kräftigen Stimme zu Gehör, die nicht unerheblich zur Atmosphäre dieser Musik beiträgt, sich stets abseits ausgetretener Pfade hält und ebenso wenig Vergleiche zulässt wie die Instrumentalfraktion.
VIIKATE sind zudem begnadete Songwriter, die sich aufs Wesentliche konzentrieren und uns fesselnde, spannende, kompakte Musik bescheren. Selten passten energische Stromgitarren, wuchtiges Getrommel und folkloristisches Flair so gut zusammen wie bei dieser Band, die ihre Mischung von beschwingten Folk-Rhythmen, Mitbangparts und epischen Gitarrenläufen auf diesem Album perfektioniert hat.
Um dem Fass vollends den Boden auszuschlagen, bekamen die Novemberlieder im Sonicimage-Studio eine fetzige, raumfüllende Produktion verpasst, die keine Wünsche offen lässt. Neben den neun eigenen Liedern ist außerdem eine klasse Interpretation von AMORPHIS’ „In The Beginning“ enthalten. Der Song, im Original auf dem „Tales From The Thousand Lakes“-Album, wird nämlich nicht einfach nachgespielt, wie es bei Coverversionen häufig geschieht, sondern er wird zu dem Rocksong gemacht, der er schon immer sein wollte. Seinen englischen Text durfte er freilich nicht behalten und heißt deshalb nun „Ensimmäinen Runo“.
Und noch eine persönliche Anmerkung: VIIKATE-CDs sind bei deutschen Versandhändlern eher selten und dann zu recht hohen Preisen zu finden, du kannst sie dir aber problemlos und billiger aus Finnland einfliegen lassen.
Auch wenn ich den reißenden Stil des Reviews nicht mag, kann ich nicht umher, mich der Punktierung anzuschließen. An diesem Album ist von der Produktion bis zum Feeling in meinen Augen nichts auszusetzen. Die Stimme (für mich immer der Punkt, der über Wohl und Übel entscheidet) von Karle passt wunderbar zu den rauhen, melancholischen Riffs. Das Album wirkt in sich geschlossen und lädt ein zu einer auf packender Art depressiven Reise in das finnische Niemandsland. Auch, wenn man (wie ich) die Texte nicht versteht. Manch einer mag das als langweilig empfinden, aber ich denke: Jede Musik hat ihre Zeit, und diese hier liegt definitiv an einem einsamen, gedankenumtosten Abend.