Vier Meter Hustensaft - Kein Vergeben Kein Vergessen
Review
Mit ihrer neuen EP „Kein Vergeben Kein Vergessen“ präsentieren die „Coronakinder“ VIER METER HUSTENSAFT ihre dritte Veröffentlichung. Hierbei gehen sie punktypische Wege und wagen wenig Neues.
Auf „Kein Vergeben Kein Vergessen“ ist der Name Programm
Der erste Song „Kein Vergeben“ beginnt mit einer gezupften Bassgitarre, gefolgt von einem Gitarrenslide und simplen Riffs. Sängerin Yvonne „Yve“ Wagner schreit und krächzt die ersten Worte des Albums und der Hörer stellt fest: „Hier gibt es Punk – und zwar direkt in die Fresse.“ An Oi! erinnernde Chöre begleiten den Gesang im Refrain und selten kommen mehr als drei Akkorde vor.
VIER METER HUSTENSAFT bieten Selfmade-Punk mit Garagenfeeling und Partylaune. Dabei halten sie eine solide Qualität aufrecht. Im Gegensatz zu manchen Kollegen aus dem Oi!- und Punkspektrum agiert die Band handwerklich sicher. Dirk „The Lobster“ Löbers Schlagzeugspiel passt auf die von Andreas „Andy“ Wagner gespielten Riffs. Letzterer zieht sogar das eine oder andere Solo aus dem Zylinder. Diese Soli erinnern mit ihrem Tempo an BERSERKER, dennoch bleiben VIER METER HUSTENSAFT dem Punkrezept treu und machen keine Ausflüge in härtere Genres. Musikalisch weiß die Band zu überzeugen, doch wie sieht es mit den Lyrics aus?
VIER METER HUSTENSAFT – Punk, Party und Kampfgeist
Textlich präsentiert die Band fünf Songs mit gesellschaftskritischen Thematiken. „Hammerschlageffekt“ wirft einen ironisch-zynischen Blick auf eine Medikamentengesellschaft, die nur mit Pillen funktioniert. Der Opener „Kein Vergeben“ setzt sich mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit gegenüber den eigenen Erziehungsberechtigten auseinander und „Misch Dich Ein“ ist ein zorniges Pamphlet gegen homophobe Strömungen in der Gesellschaft.
VIER METER HUSTENSAFT gehen dabei nicht den zwangspädagogischen oder gar gewalttätigen Weg. Sie zeigen Umstände und Perspektiven auf, verarbeiten die Hilflosigkeit der Betroffenen und zelebrieren den Wunsch nach Freiheit. Aufrufe im Sinne des „Schwarzens Blocks“ sind auf der Platte nicht vorhanden und daher ist es angenehm, eine wütende Punkband zu hören, die mit kritischen Texten, aber ohne die üblichen plakativen Feindbilder auskommt. Wer glaubt, dass Musik unpolitisch sein muss, stört sich wahrscheinlich dennoch an den Lyrics – ist dann aber bei diesem Genre auch an der falschen Adresse.
Aus der Quarantäne in die Plattenspieler
Viele Künstler mussten während des coronabedingten Lockdowns pausieren und heftige Herausforderungen meistern. Die Wagners (Gesang & Gitarre) gründeten in dieser Phase VIER METER HUSTENSAFT und gingen kreativ mit den anstrengenden Bedingungen um. Auch der erste Gig fand in diesem Zeitraum statt (natürlich unter Einhaltung der damaligen Regeln). Waren die ersten Veröffentlichungen noch ungeschliffen und roh – vor allem in der Abmischung – zeigt die aktuelle EP einen Sprung nach oben. Das hat das Quartett auch seinem Label NRT Records zu verdanken.
Die EP macht Lust auf mehr
Auch wenn „Kein Vergeben Kein Vergessen“ als Punkplatte keine Komplexitätspreise abräumen kann, machen die Songs Spaß. Yves Gesang, der auf dem ersten Album „Influenza“ noch schwach und amateurhaft daherkam, hat sich auf der neuen EP massiv verbessert. Die schnörkellosen Lyrics animieren zum Mitgrölen und die Entscheidung, das Songwriting um ein paar Soli zu erweitern, tut der Platte ebenfalls gut. Wenn VIER METER HUSTENSAFT die Qualität aufrechterhalten, sind gute Alben vorprogrammiert. Bis dahin bleibt abzuwarten, wie es mit der Düsseldorfer Combo weitergeht.