Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Die heutigen VERSENGOLD unterscheiden sich gewaltig von dem, was sie einmal gewesen sind. Es ist sicher nicht untertrieben, zu sagen, dass die Bremer Musikanten eine ziemlich weite, stilistische Distanz von ihren Anfängen hin zu dem zurückgelegt haben, was sie heute mit „Nordlicht“ darstellen: Eine Band, die ihren akustischen Folk erfolgreich ins Hier und Jetzt hinein inszeniert und dabei – gefühlt im Vorbeigehen – den Nerv eines ziemlich breiten Publikums trifft. Bis hierhin hat es jedoch eine beträchtliche, stilistische Trajektorie und eine Reihe von Besetzungswechseln nötig gehabt.
Fahrende Spielmannsleut‘ geben VERSENGOLD
Um zu sehen, wie weit diese stilistische Distanz tatsächlich sein kann bei einer Akustik-Folk-Band, muss man in diesem Falle gar nicht mal so weit zurück schauen. Möglicherweise war einer der einschneidendsten Entwicklungsschritte der Band wohl der erstmals 2015 auf „Zeitlos“ konsequenter gewordene Einsatz eines Rock-typischen Schlagzeugs statt der zuvor eingesetzten Perkussion wie etwa Schelle, Bodhrán und Dhembé. Dadurch gewann die Musik der Band einiges an Drive hinzu – büßte aber vielleicht dadurch auch ein bisschen ihren urtümlichen und irgendwie auch angenehm nerdigen Charme ein.
Noch früher jedoch bewegte sich die Band von den noch mehr im Mittelalter beheimateten Anfangsklängen ihrer ersten beiden Alben mit dem verflixten dritten Album „Ketzerey“ allmählich in eine mehr dem Irish Folk zugewandte Richtung. Ein bisschen was von ihrer mittelalterlichen Schlagseite bewahrten sie sich jedoch immer noch und trugen diese mal mehr („Im Namen des Folkes“), mal weniger („Auf in den Wind“) offenkundig zur Schau. Das taten sie vor allen in ihren späteren Werken mindestens durch ihre Texte, ehe mit „Zeitlos“ ein Cut zu etwas modernerer Lyrik erfolgte, der sich mit „Funkenflug“ und schließlich „Nordlicht“ verfestigte.
Durch die Zeit ins Mittelalter
Doch in ihren ganz frühen Werken, wie hier zu besprechendes „Allgebraeu“, regierte eben das Mittelalterliche, wobei sich VERSENGOLD hier schon etwas aufgeräumter und feiner geschliffen präsentierten als noch auf dem Debüt. Dennoch blieben die stilisitschen Merkmale weitestgehend intakt. Der Einsatz akustischer Instrumente von Gitarrenartigen über sämtliche Flötenartige und die lebhaft perkussive Rhythmik erweckte den Eindruck von gauklerisch charmanten Straßenmusikanten, was auch zu dem Spielmanns-Image passt, das VERSENGOLD so gerne besingen und letzten Endes auch ein Grund für den Appeal der Musik ist.
Malte Hoyer trat noch unter dem Alias Snorre Snoerkelfrey auf und wurde gesanglich von Sirkka von Ungefaehr bzw. Carolin Fährmann sekundiert, die sich die Gesangsanteile ungefähr gleichmäßig aufteilten. Zwischen den beiden herrschte eine gute Chemie, sodass es schon irgendwie schade ist, dass die Band in ihrer damaligen Formation mit dem dritten Album zerbrochen ist. Das wird einerseits in den Momenten deutlich, in denen sie sich gegenseitig unterstützen wie „Oh Adelsmann“ oder „Zum schwarzen Keiler“, aber auch eine gute Dynamik miteinenader entwickeln wie in „Vom Adel sein“.
Ein Gaumenschmaus, ein „Allgebraeu“
Erwartungsgemäß ist das Textwerk erste Sahne – es gibt eben Dinge, die ändern sich bei einer Band nie. Es versprüht aber durch den starken Mittelaltereinschlag in dieser frühen Phase von VERSENGOLD eine gesunde, gerne mal augenzwinkernde Portion Cheese. Was die Reichhaltigkeit an Stimmungen angeht, so deckt das „Allgebraeu“ seinem Namen getreu eine ordentliche Bandbreite ab. Sentimentale Nummern wie „Wout mit den Wölfen“, auch gerne mal gewürzt mit dem ein oder anderen gesellschaftskritischen Seitenhieb wie „Oh Adelsmann“, gesellen sich zu etwas belebteren Trinkliedern wie das einleitende „Einerley“.
Zwischendrin darf mit „Das Bier ich in der Rechten trug“ auch mal balladesk geblödelt werden, während „Vom Adel sein“ beinahe seltsam karibische Vibes versprüht. Sogar der Fanliebling „Ich und ein Fass voller Wein“ ist in einer früheren Version vertreten. Instrumentalstücke gehören ohnehin zu einem VERSENGOLD-Album dazu. So dient „Snorres Traeumeley“ beispielsweise als verlängerter musikalischer Arm des vorangegangenen Stückes, „Das Bier ich in der Rechten trug“, während „Sventes Firletanz“ mit all seiner Lebhaftigkeit gut auf eigenen Beinen steht. Oder eben tanzt.
Ein weiter, beschwerlicher Weg für VERSENGOLD?
Es hat schon etwas Interessantes an sich, die Entwicklung der Band Album für Album zu beobachten. Nach den noch etwas rohen Anfängen zeigten sich VERSENGOLD als Musikanten auf „Allgebraeu“ bereits um eine ganze Ecke gereift. Und rückblickend deutete sich bereits hier die Qualität ihrer Musik an, auch wenn es von hier an unruhig werden sollte im Bandgefüge – aber Schmerz beflügelt bekanntlich und die Bremer sind ein gutes Beispiel hierfür. Der füllige, klare Klang dieser Platte hier jedenfalls erweckt den Eindruck eines gelungenen Abends in der Taverne, aus der man dann spät abends herausschlendert, „im Mund ein Pfeifchen […], im linken Arm ein Mägdlein […], in rechter Hand ein Krug voll Bier“. Ihr kennt den Rest…
Als die noch gut waren, wenn man sowas mag..