Venom Prison - Erebos

Review

Die Waliser VENOM PRISON sorgen seit einigen Jahren für Rumoren im Untergrund. Sowohl mit ihrem Death Metal, der auch Hardcore-Anleihen hat (liegen doch die Wurzeln der Vorgängerbands dort), als auch mit ihrer Frontfrau Larissa Stupar, die in den Lyrics ordentlich austeilt gegen Fleischindustrie, Patriarchat und Fremdbestimmung von Frauen, Stichwort Leihmutterschaft etwa, oder auch gegenüber dem unmenschlichen Gefängnissystem („Judges Of The Underworld“) auf dem neuesten Album. Das wird spielerisch schon seit ihrem Erstwerk „Animus“ von 2016 wie selbstverständlich mit griechischer Mythologie kombiniert, die auch auf den Artworks von Eliran Kantor ein Stück weit durchkommt. Während die Vorgänger musikalisch schon interessante Ansätze hatten, aber noch ein wenig zerfahren streckenweise wirkten, hat das neueste Album „Erebos“ als Verkörperung der Finsternis mehr Melodie und nachvollziehbares Songwriting spendiert bekommen.

„Erebos“ kommt strukturierter und atmosphärischer daher

Bereits „Judges Of The Underworld“ tobt sich nach Intro „Born From Chaos“ mit harter Schlagseite, Hardcore-Breakdowns, aber auch Melodie erfreulich abwechslungsreich aus. „Nemesis“ ist kein Cover der schwedischen Melo-Deather ARCH ENEMY, hat aber ebenfalls sich nachhaltig festsetzende Melodien und eine festere, konventionelle Songstruktur innerhalb des Bandkontextes bekommen. Auch ruhigere, experimentellere Songs wie „Pain Of Oizys“ zeugen von Weiterentwicklung und Diversifizierung im Sound, die VENOM PRISON grundsätzlich schon mal nicht schlecht stehen.

Das Mörteln ist nicht verlernt worden, wird heuer allerdings wesentlich besser und songdienlicher als in der Vergangenheit mit Hardcore-Einschüben oder tollen Melodien, die für ordentlich Atmosphäre sorgen („Castigated In Steel And Concrete“) kombiniert. Das ist vielleicht dann im Endergebnis für VENOM PRISONs Version von Death Metal erwartbarer und konventioneller geraten, aber definitiv den noch etwas unreif wirkenden Riffansammlungen der Vorgänger vorzuziehen. Ein Album wie „Samsara“ ist nicht schlecht gewesen, aber „Erebos“ wirkt im direkten Vergleich doch wesentlich runder und mit mehr Hirn komponiert und konzipiert.

VENOM PRISON auf dem vorläufigen Zenit ihres Schaffens

Die Problematik des Riffsammelsuriums lässt sich streckenweise leider allerdings immer noch finden: „Comfort Of Complicity“ lässt in den eröffnenden Riffs teilweise LAMB OF GOD gedanklich aufkommen, nur um darauf in klassische Melo-Death-Anleihen auszubrechen, aber auch technisch zu trümmern. Obwohl das auf „Erebos“ grundsätzlich wesentlich besser geraten ist, bricht es trotzdem manchmal noch hier und da ein klitzekleinwenig hervor. Dass VENOM PRISON aber eigentlich wahnsinnig gute Songwriter sind, die gewinnbringend Ideen kombinieren können, zeigen hauptsächlich die Songs der zweiten Albenhälfte. Genauer sind das zum Beipsiel „Golden Apples Of The Hesperides“, elektronisch einleitend und im Anschluss mit angeschwärzter Note alles niedermetzelnd oder auch Rausschmeißer „Technologies Of Death“, wo der Gott der Finsternis dann final beschwört (oder abgeschwört?) wird und sich Härte wohlfeil mit Melodie über den Hörer als Schleier der Dunkelheit legt. Zarter Synthie-Einsatz unterstützt das meist im Hintergrund und gibt den Songs eine etwas „erhabenere“  Atmosphäre.

Trotzdem fehlt noch das „gewisse Etwas“

VENOM PRISON sind diversifizierter geworden, gleichzeitig gestärkt im Songwriting, es liegt schlicht das beste Material der Karriere vor. Warum dann nur sieben Punkte? Weil sich alles noch immer ein wenig unrund anfühlt, es ist sogar schwer zu bestimmen, woran es nun genau liegt. Produktion passt, Riffs schocken, Songwriting sitzt. Trotzdem fehlt es an noch mitreißenderen Hooks, noch stärkeren Trümmerparts oder dem letzten Quäntchen Brillanz, das VENOM PRISON von ihren Kollegen im modernen Death Metal absetzen würde.

Noch fehlt es vielleich daran, aber die Band hat spätestens nun mit „Erebos“ bewiesen, kreativ nach vorne zu schauen, sich immer neu beweisen und versuchen zu wollen und für die Zukunft ist da sehr viel Potential vorhanden. VENOM PRISON mischen unbestreitbar jetzt schon oben mit, sind aber noch nicht auf einem Level (bisher) angelangt, das einen Sitz im Olymp rechtfertigen würde. Aufgeschlossene Death-Metal-Hörer dürfen sich trotzdem mit „Erebos“ in die finsteren Aspekte unserer modernen Zivilisation begeben.

28.01.2022
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