Velvet Revolver - Libertad

Review

VELVET REVOLVER sind eine sogenannte Supergroup. Scott Weiland war einst Sänger bei den legendären STONE TEMPLE PILOTS, der Rest der Band, Duff, Slash und Matt, das dürfte wohl als bekannt vorausgesetzt werden, war weiland bei GUNS N‘ ROSES aktiv. Ach ja, einen gibts noch: Dave Kushner, der aus dem musikalischen Umfeld von Duff kam und früher bei SUICIDAL TENDENCIES spielte. Und im Gegensatz zu Axl, der ja seit Jahr und Tag an seiner „neuen“ GUNS N‘ ROSES-Scheibe „Chinese Democracy“ feilt, was sowenig klappt wie demokratische Verhältnisse innerhalb der zukünftigen Weltmacht aus Asien, gibts hier nun mit „Libertad“ neuen Stoff für die Anhängerschar. Und das war gar nicht so selbstverständlich, nach den Drogenproblemen von Scott, Zwistigkeiten innerhalb der Combo und diversen Reunion-/Comeback-Gerüchten bezüglich GUNS N‘ ROSES.

„Let It Roll“ eröffnet das Album, das sich textlich mit dem Drogentod von Scotts Bruder beschäftigt. Erinnerungen an staubige SOUNDGARDEN-Songs werden wach, diese Mischung von Instrumentalabteilung und Gesang bekam so nur Chris Cornell mit AUDIOSLAVE hin. Außerdem steckt viel STONE TEMPLE PILOT-Machart der zweiten CD „The Second Album“ im Opener, was sehr vorteilhaft ist. „She Mine“ bietet Moderne, BEATLES, PEARL JAM, die GUNNERS und die PILOTS vereint durch rockigen Groove, der genölte Refrain ist das, wofür ich diese Musikrichtung immer besonders mochte, Trotz mitten ins elterliche Gesicht, volles Pfund sozusagen. „Get Out The Door“ hat allerlässigste Vocals, eine amerikanische Hookline im Prechorus und eine rhythmischen Refrain, wie auch die RED HOT CHILI PEPPERS das gern hören. „She Builds Quick Machines“ hat diese Heaviness der ersten beiden unschlagbaren STONE TEMPLE PILOTS-Alben und einen smashenden (ein wenig mainstreamigen) Refrain, auch hier sind die PEPPERS nicht weit, zumindest was die Strophenphase angeht. „The Last Fight“ ist dann die Halbakustik-Ballade, auf die wir gewartet haben, ein ganz starker Song, hier kann Scott Emotion zeigen.

„Pills, Demons etc.“ zeigt uns bereits im Titel, was Scott beschäftigt; der Tod des Bruders einerseits, andererseits der eigene Umgang mit Drogen, und da gibt es in seinem Leben ja auch wahre Höllengeschichten. Mit „American Man“ gibt es darauf einen treibenden Rocksong mit geilem Refrain, melodisch, zum Aufdrehen im Cabrio besten geeignet zu dieser Jahreszeit. Euphorie macht sich breit, sollte man das Autofahren nicht lieber lassen, wenn man halluziniert? Wie auch immer, „Mary Mary“ beinhaltet ein ROSE TATTOO-kompatibles Riff am Anfang, einen schrägen Refrain und besticht durch tranparente Gitarrenarbeit. „Just Sixteen“ ist ein eher unscheinbarer Rock & Roll-Track mit netten Licks und feinem Solo. „Can’t Get It Out Of My Head“ ist was fürs Radio und die nette junge Nachbarin, harmlos, trällern VELVET REVOLVER fast wie eine Boygroup, aber auch das mit professionellem Gespür für Wirkung und Ausdruck, soviel sei gesagt. „For A Brother“ hat wieder diesen steinernen Tempel-Rhythmus samt packendem Refrain und kraftvoll intoniertem Break mit ergreifenden Text eingebettet in virtuose Gitarrenarbeit. „Spay“ lässt noch mal (Slide-)Gitarren sprechen und kommt genau zur rechten Zeit, um uns an die Alternative-Vergangenheit der Bandmitglieder zu erinnern. Das abschließende „Gravedancer“ baut auf metallisch-perlenden Gitarrenlicks und sphärischen Vocals von Scott auf. Traurig, wie die Geschichte des Bruders endet. Und Duff, Slash, Matt und Dave bieten instrumental hochklassiges. Traurig? Von der Mitte des Songs „Gravedancer“ an bis zum Ende haben wir es plötzlich mit Truckern, Country-Vibes und Road-Feeling zu tun: hier ist dann Feierlaune und Hoffnung zu Hause, Versöhnung mit dem Schicksal.

Obwohl populär, bieten VELVET REVOLVER keine Hintergrundmusik, sondern ähnlich Cornell bzw. AUDIOSLAVE darf zugehört werden, auch was die Texte betrifft. Griffige Melodien und überraschend schräge Einschübe halten sich die Waage. Die Band spielt mit Pop, Rock, Grunge, Alternative, Indie, Blues, Hardrock und Metal. Darin sind sie versiert, sie wissen, was als nächstes kommen muss, ohne dass ich sagen würde, dass da nun nur mit Kalkül gearbeitet wird. Es ist ein schmaler Grat, der hier erfolgreich beschritten wird, denn Raum für Spontanität bleibt. Von mir aus hätten sie eine Spur kantiger und den frühen STONE TEMPLE PILOTS-Alben noch mehr verhaftet sein können, aber gut. Ach ja, eine kleine Anekdote am Rande: Rick Rubin hat die CD dann doch nicht produziert, er wollte nämlich, dass VELVET REVOLVER immer mehr Tracks komponieren; als es dann über 50 waren und er immer noch mehr wollte, sagte man ihm endlich „Arrividerci“ und gab Brendan O’Brien den Job, den dieser dann auch prompt trefflich erledigte. Insgesamt ein rundes Album mit Klassegesang von Scott und fortwährend spielfreudiger versierter Band; die Kracher sind so plaziert, dass die Spannung immer erhalten bleibt.

26.06.2007
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