Various Artists - Önd - A Tribute To Enslaved

Review

Muss ich eigentlich irgendjemandem (vorausgesetzt, er/sie hat sich nicht rein zufällig auf diese Seite verirrt) erklären, welche Rolle ENSLAVED für den skandinavischen Extrem-Metal spielen? Muss ich irgendjemanden darüber aufklären, dass zwölf (das Ende September erscheinende „RIITIIR“ mitgerechnet) durch die Bank gelungene Alben in mehr als zwanzig Jahren ziemlich viel über die Qualität ENSLAVEDs aussagen? Nein? Gut, dann kann ich mich ja jetzt „Önd“ zuwenden, dem ENSLAVED-Tribut des französischen Labels Pictonian Records.

Das Schöne an Tribut-Alben ist, dass man die musikalische Vorlage für einen Augenblick jeglicher Kritik entheben und sich auf die Interpretationen ihrer Liebhaber konzentrieren kann. Pate steht bei „Önd“ fast die gesamte Diskographie ENSLAVEDs, vom 1992er Demo „Yggdrasill“ über alle(!) Longplayer bis zu „Vertebrae“ aus dem Jahr 2008. Ähnlich breit gefächert sind die auf den zwei CDs vertretenen Bands: Neben eher klassischen Black Metal-Kapellen wie ODEM ARCARUM oder BELENOS sind auch die französischen Industrial-BM-Recken REVERENCE, die deutschen Zeitgeister ISLAND sowie die eher dem Postrock zugeneigten Briten von FEN und die Italiener von JANVS dabei.

Beste Voraussetzungen also, um den Norwegern um die Gründungsmitglieder Ivar Bjørnson und Grutle Kjellson die Ehre zu erweisen. Leider sind jedoch auch Tribut-Alben qualitativ nicht vor der Gauß’schen Normalverteilung gefeit: Neben viel Mittelmaß gibt es ein paar High- und in etwa genauso viele Lowlights. Das ist bei „Önd“ grundsätzlich nicht anders, jedoch ist die Glockenkurve hier recht schmal und auch ihr Maximum liegt über dem allgemeinen Erwartungswert.

Was heißt das jetzt auf Deutsch? „Önd“ weist keine wirklichen Schwachstellen auf (Ausnahme ist hier vielleicht STAGNANT WATERS‘ Interpretation von „Større enn Tid – Tyngre enn Natt“, das mir mit seinem Orgelgedudel tierisch auf den Senkel geht), kann aber auch keine außergewöhnlichen Interpretationen aufweisen. Das liegt wohl im Wesentlichen daran, dass die meisten Bands recht nah am Original bleiben und dadurch jedes Aha-Erlebnis von Anfang an ausschließen. Lobend zu erwähnen sind jedoch ISLANDs „The Sleep: Floating Diversity – A Monument Part III“ (wunderbar ruhig und ganz dem Kosmos ISLANDs zugehörig), RIBOZYMEs Version von „To The Coast“ (ein positives WTF?) und AS LIGHT DIES‘ Interpretation von „As Fire Swept Clean The Earth“ (sehr postrockig, genau wie ODEM ARCARUMs „Convoys To Nothingness“). Alle drei Cover-Versionen entfernen sich weit genug vom Original, um als kreative Weiterentwicklung durchzugehen, ohne jedoch den Bezug zur ENSLAVEDschen Musik zu verlieren.

Vielleicht ist die Auswahl der beteiligten Bands zu engstirnig geschehen, um „Önd“ einen wahrlich bereichernden Charakter zu verleihen. So muss sich der Hörer damit zufrieden geben, dass es die meisten Beteiligten schaffen, den ausgewählten ENSLAVED-Songs immerhin ihren eigenen Stempel aufzudrücken (bestes Beispiel sind REVERENCE, deren Beitrag unverkennbar nach ihnen klingt, „Path To Vanir“ aber 1:1 kopiert). In diesem Sinne passt der Kommentar eines Freundes zu „Önd“: „[„Önd“] führt mir […] mal wieder vor Augen, wie geil ich ENSLAVED finde.“ Jep.

09.09.2012

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