Various Artists - Burning Roots Volume One

Review

Wenn es ein heißes Eisen im Black Metal und der zugehörigen Szene gibt, dann ist es die zweifelhafte Strömung, die man allgemein unter dem Namen „NSBM“ zusammenfasst. Während einige Bands unter diesem Banner keinen Hehl aus ihrer Ideologie machen, arbeiten die meisten in einer äußerst breiten Grauzone, in der es viele Überschneidungen gibt. Grenzen sind dort oftmals nicht mehr zu erkennen, so dass es für Szenegänger wie für Aussenstehende gleichermaßen schwierig wird, die Motivationen zu erkennen, die hinter gewissen Symbolen und Texten stehen.

Was ist NSBM? Diese Definitionsfrage wird genauso kontrovers diskutiert, wie jede andere Grundsatzfrage. Erschwert wird das Problem durch seine Multidimensionalität: Historische Ereignisse, politische Ideologien, Musiker, Labels, Hörer, „Konsumverhalten“, Sozialisation innerhalb einer Szene…
Im groben Überblick lässt sich sagen, das NSBM einerseits auf einer Welle (nämlich der des Black Metals) mitschwimmt, aber gleichzeitig einen Gegenpol darstellen will. Während sich Black Metal unter anderem (anti-)religiöser, satanistischer und nihilistischer Motive bedient, ist es beim NSBM vor allem eine politische Ideologie. Doch neben politischen Aussagen stehen auch solche, die nicht zwingend etwas mit einer bestimmten politischen Strömung zu tun haben müssen. Xenophobie, Rassismus und Nationalismus sind weitere Thematiken. Somit stellt NSBM eine abstrakte Menge dar, die in den letzten Jahren immer mehr an Größe und Einfluß gewonnen hat – sehr zum Ärger jenes Teils der Black Metal Szene, der mit NSBM nichts zu tun haben möchte.

„Burning Roots Volume One“ ist Ausdruck dieses Abgrenzungswillens und meines Wissens auch der erste Black Metal Sampler, der in dieser Hinsicht eine eindeutige Stellung bezieht: „Burning Roots is a Compilation against National Socialistic Black Metal and dedicated to the true King of Black Metal, Øystein Aarseth.“ Flagge zeigen, und zurück zu den Wurzeln heißt die Devise, zu der sich das folgende Line-Up eingefunden hat:
INFERNAL RITES, UNLIGHT, BLACK HORIZONZ, VERFALL (Deutschland), KNOWHERE (Schweiz), FAIRYTALE ABUSE (Dänemark), DAGOR DAGORATH (Israel), MESMERIZED (Polen), HELSEFYR, BESTIAL MOCKERY (Schweden), SIGNS OF DARKNESS (Belgien), GALAR (Norwegen), GROM, BUSTUM (Kroatien), PRAYER OF THE DYING (Malta), SARCUEIL (Frankreich) und NECRO CULT (USA).
Einige Szenekundige werden beim Namen BESTIAL MOCKERY aufhorchen, da deren Schlagzeuger und Sänger vor einigen Jahren bei SONS OF SATAN aktiv waren, die dem NSBM zugerechnet wird – etwas, was beide laut eigener Aussage mittlerweile bereuen. Im Booklet distanzieren sie sich deutlich von der NSBM Szene, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollen. Der Initator der Compilation und Chef von Euronydead Records hat sich diesen Schritt gründlich überlegt und möchte der Band auf diesem Wege auch ein Forum bieten, um sich zu rehabilitieren. „Menschen machen Fehler, aber gut, wenn man sie einsieht.“
Auch die anderen Bands sind im 20-Seiten-starken Booklet mit Statements vertreten, deren Grundtenor der Konsens ist, dass Black Metal und Politik nicht zusammen passen und totalitäre politische Strukturen im krassen Widerspruch zum Individualismus stehen.

Rein musikalisch ist „Burning Roots“ ein hörenswerter Underground-Querschnitt mit mehrheitlich guten Songs geworden, der auch ganz unabhängig von seinem Hintergrund Beachtung verdient hat. Alle Bands haben Songs von aktuellen Alben bzw. Demos ausgewählt, und die meisten von ihnen machen dabei eine wirklich gute Figur. Die Vielfalt reicht vom reinrassigen, rohen Black Metal Kern bis zu den Grenzen des Genres zu den Berührungspunkten von Death, Thrash, Pagan und Melodic Metal. Lobenswert ist auch die geographische Bandbreite, die „Burning Roots“ zu einem „globalen“ und multinationalen Projekt macht.

Lobenswert ist ebenfalls die Intention, keine Frage. In einer Umgebung, für die das Phänomen NSBM längst zur Realität geworden ist, die NSBM partiell duldet und indirekt damit fördert, müssen deutliche Zeichen gesetzt werden. Vielleicht kann „Burning Roots“ auch dabei helfen, der NSBM-Debatte neue Impulse zu geben, wünschenswert wäre es jedenfalls.

Denn NSBM ist nicht nur eine neue Strömung, eine neue Szenebewegung, ein neuer „Trend“ – NSBM ist gleichzeitig ein Zwang zur Introspektive, eine Herausforderung an den Black Metal und alle anderen extremen Metalstile. Politische Extreme sind nämlich längst kein Problem, welches nur im Black Metal zu finden ist, es war schon von Anfang an genreübergreifend – und die Wurzeln sind so alt wie der Metal selbst. Und gerade Black Metal als extremste Richtung befindet sich mit seinem „Sorgenkind NSBM“ in einem neuen Definitionsdilemma. Denn vieles, was NSBM an der Oberfläche als „politisch unkorrekt“ bzw. „extrem“ und „menschenverachtend“ auszeichnet, ist in leicht abgewandelter, und oft identischer Form ein ganz „natürlicher“ und bis dato nicht in Frage gestellter Bestandteil des Black Metals. Für nicht wenige (NSBM Gegner wie Anhänger) ist die Diskussion eine scheinheilige Wasserpredigt, in der praktisch ein Teil eines großen Ganzen nicht geduldet werden soll, weil es durch seine mehr oder weniger direkte Nähe zu politischen Extremen als nicht „konform“, nicht „korrekt“ betrachtet wird. Aber kann Black Metal überhaupt „konform“ oder „korrekt“ sein? Diese Frage müssen sich auch die an „Burning Roots“ beteiligten Bands gefallen lassen, ebenso der Macher.
Nach Szenestudien (z.B. „Unheilige Allianzen“) sowie zahlreichen Interviews, in denen Bands zu NSBM Stellung beziehen, ist nun ein weiterer Schritt unternommen worden, indem 17 Bands auf einem Sampler ein klares Statement abgeben.

20.09.2007
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