Die Zeiten in denen Metal (vor allem durch die Bildzeitung) als hirnlos, laut und dumm beschimpft worden wurde, sind hoffentlich mittlerweile vorbei. Auf der Haben-Seite hören wir komplizierte Texte, clevere Melodiestrukturen, und: man mag es kaum glauben, aber diese Band hat mir tatsächlich die Deutschnote aufgewertet. Gymnasiale Oberstufe – Gedichtinterpretation: „Mit diesem Sonett von Andreas Gryphius wird abgesehen von der strikten Glaubenshaltung des Mittelalters auch die typisch barocke Philosophierichtung ‚Vanitas‘ beschrieben…“
Was lernen wir also daraus? Vanitas = Vergänglichkeit = Österreichische Dark Metal Band die mit Lichtgestalten ihr 3tes Majoralbum vorlegt. Wieder einmal holte man sich Hilfe von einer Sopranistin, mehreren Gastsängerinnen und einem richtigen klassischen Streichquartett, welches teilweise sogar Querverweise zu Eisregen assoziiert. Größtenteils ist dieser Vergleich aber schwachsinnig, denn die Klangwelten die man hier aufbaute, können beim besten Willen nicht mit der Thüringer Extrem-Metal Truppe verglichen werden. So richtig morbide wird man hier selten, und Dur und Moll wiegt angenehm einander auf.
Und damit sind wir auch schon beim Opener ‚Endlosschleife‘. Kein pseudodüsteres Gebrubbel, keine ausgelutschten Melodien, keine aufgesetzte Härte: Was Vanitas uns hier vorsetzt, ist mit ‚fetzt wie sau‘ noch zaghaft umschrieben. Selten hab ich so ein perfekt arrangiertes moshbares Stück Gothic Metal gehört – binnen 10 Sekunden ist die komplette Bude unlöschbar in Brand.
Der Rest des Albums wirkt aber abgesehen von den knackig kurzen Nummern wie dem ebenfalls moshpflichtigen ‚Missverstanden‘ und dem rockigen Schlusssong ‚Relatives Freisein‘ leider anfangs etwas gestreckt. Zwar ist die Ideenvielfalt berauschend und schon regelrecht philosophisch, doch wenn die teilweise sehr eigenartigen Melodien bei den längeren Songs wie ‚Lebenslauf‘ oder ‚Kontrollverlust‘ bis zu einer Minute lang ständig wiederholt werden und sich nur der Text ändert, kann das bis zum Ende der Eingewöhnungsphase relativ viele Nerven kosten. Hat man diese Hürde aber übersprungen funzt auch der Recht ganz ordentlich, selbst wenn kein Lied an die Intensität des Openers heranreicht.
Also hat auch die zweite in diesem Jahr heiß erwartete Dark Metal Hoffnung die Chefetage knapp verpasst. Der künstlerische Anspruch ist bei ‚Lichtgestalten‘ zugegebenermaßen etwas größer als beim vor kurzem neu geflossenen Wundwasser, doch die atmosphärischen Klangreisen Eisregens bleiben weiterhin unerreicht. Mal sehen was die Zukunft bringt…
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