Van Der Graaf Generator - Godbluff

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Von allen Vertretern des klassischen, britischen Prog gehören VAN DER GRAAF GENERATOR definitiv zu den auffälligeren Bands. Und der Grund dafür ist nicht schwer auszumachen, wenn man erst einmal in eines der Alben reingehört hat: Denn VAN DER GRAAF GENERATOR verzichten nahezu gänzlich auf die Gitarre als primäres Instrument und binden diese wenn dann nur als zusätzliche Stimme ein. Und doch ist das Ergebnis oftmals ein sehr Rockiges, da die Musik der Briten einen Hang zur Impulsivität inne hat.

Rock ohne Gitarre? Geht. VAN DER GRAAF GENERATOR zeigen, wie.

Aber wie äußert sich das nun konkret? Der große Bandklassiker „H To The He Who Am The Only One“ bringt eigentlich die Qualitäten des Sounds in nahezu all seinen Facetten auf den Punkt. Große Klavier- und Orgelwände, dargestellt durch Peter Hammill sowie den Hammond-Meister Hugh Benton, bestimmen das Klangbild und tun das mit einer enormen Wucht und reichlich Gewicht, während David Jackson mit seinen üblicherweise angezerrten Saxofonlinien oder aber luftigen Flötenleads, denen aus dem legendären KING CRIMSON-Debüt nicht unähnlich, für schneidige respektive elegantere Melodien innerhalb der meist sehr dicht gepackten Songs sorgt. Guy Evans‘ Schlagzeug trägt eine gewisse, jazzige Unruhe inne und Hammills Gesang, oder besser: Lyrikvortrag gestaltet sich als außerordentlich expressiv und inbrünstig.

Zu dieser Zeit hatten die Herren mit Nic Potter noch einen Bassisten an Bord und selbst Robert Fripp (KING CRIMSON) steuerte für den Song „The Emperor In His War Room“ eines seiner berühmten Soli bei. Während Fripp noch auf dem Folgealbum „Pawn Hearts“ zu hören sein sollte, war Potter zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Band ausgeschieden. Das markierte jedoch keineswegs das Ende der rockigen Fahnenstange für VAN DER GRAAF GENERATOR. Und das zu widerlegen oblag Alben wie „Still Life“ mit seiner für VAN DER GRAAF GENERATOR-Verhältnisse ungewöhnlich hohen Eingängigkeit, sowie dem hier vorliegenden „Godbluff“, eines der ausgeglicheneren, vor allem aber eines der stimmigsten Werke der Band.

Aus der Asche: „Godbluff“

Dem Album geht eine Phase der vorübergehenden Auflösung voraus. In dieser Hinsicht ist „Godbluff“ also als ein Comeback-Album zu verstehen. Jedoch merkt man schnell, dass hier weit mehr als nur ein Wiederaufleben alter Tage bzw. rein monetäre Zwecke dahinter steckten. Wie bereits angedeutet klingt „Godbluff“ sehr ausgeglichen und natürlich. Das könnte damit zusammenhängen, dass sich die Band trotz Auflösung nie wirklich aus den Augen verloren hat, sondern im Gegenteil sogar auf einigen Solowerken Hammills, die sich entsprechend um seine Dichtkunst drehten, noch zusammengespielt hat. Diese haben wiederum ihre Spur auf diesem Album hinterlassen.

Das Ergebnis: „Godbluff“ trägt zwar den Charakter inne, auf die mehrdeutige, existentialistische und mitunter sehr deprimierende, lyrische Gewalt von Hammill und seiner dazugehörigen, exzentrischen Gesangsdarbietung zugeschrieben zu sein. Doch klingen VAN DER GRAAF GENERATOR hier trotzdem wie eine musikalische Einheit, bei der jedes einzelne Element im Sound genau den richtigen Freiraum zugemessen bekommen hat, um sich optimal und ergebnisorientiert entfalten zu können. Obwohl Hammill als Sprachrohr im Mittelpunkt steht, überlagert er das Geschehen zu keiner Zeit; vielmehr dirigiert sein Vortrag den Weg, den die Musik nimmt.

Mehr als nur ein Hammill’sches Solowerk

Das merkt man von Anfang an. Der Opener „The Undercover Man“ legt mit ruhigen, pointierten Orgeltupfern vor, während Hammills Gesang ruhig aber nicht flüsternd darüber hinweg schwebt. Das Ganze hat eine gewisse PINK FLOYD-Ästhetik inne, dank des distinktiven Sounds bleiben die Gemeinsamkeiten jedoch angenehm subtil. Nach und nach steigen die übrigen Instrumente ein und der Song nimmt langsam aber sicher an Fahrt auf, während Hammills Darbietung an Intensität zulegt, ohne dass er jedoch gleich explodiert. Es bleibt stimmungsvoll und intensiv mit diesen hymnischen Gesangslinien und der vielschichtigen Instrumentierung, die durch Evans ein optimales, rhythmisches und enorm dynamisches Korsett maßgeschneidert bekommt.

Dabei wohnt das explosive Potential den beiden folgenden Tracks inne. Bei „Scorched Earth“ geht es schon etwas dramatischer zu mit monumental anmutenden Orgel-Leads, die in ihrer sehr rhythmischen Spielweise und raumfüllenden Größe bombastisch anmuten. Hammills Gesang gewinnt indes an Aggression hinzu, der Text dreht sich im weiteren Sinne um den Wahnsinn. Und der Song entwächst sienem Vorgänger förmlich, sodass der Hörfluss zwischen beiden kaum ins Wanken gerät. Wieder sitzt alles an der richtigen Stelle. Selbst die etwas dissonanteren Passagen gegen Ende wirken genau richtig platziert.

Zwischen Eleganz und Bombast

Den aggressiven Hochpunkt erreichen VAN DER GRAAF GENERATOR auf „Godbluff“ aber definitiv mit „Arrow“, das durch eine kleinere Improvisation der Band eingeleitet wird, eingefasst in das geschäftige, jazzige Schlagzeugspiel von Evans. Dem folgt ein enorm schwerer Stampfer, der durchaus als heavy durchgeht und die angriffslustigsten Vocals von Hammill enthält hin zum Punkt, dass er seine Texte förmlich hinaus shoutet. Und trotz des höheren Maßes an Aggression hängt doch ein Schleier der Melancholie über dem Song dank der Moll-lastigen Melodieführung, die gerade in der ersten Hälfte des Stückes durch die geisterhaften Saxofonklänge unterstrichen werden.

Den Abschluss macht dann das wieder etwas peppigere, verspieltere „The Sleepwalkers“, in dem wieder luftigere Orgelklänge und vielschichtige Saxofonlinien die Oberhand übernommen haben und Hammill sich wieder etwas mäßigt. Rein musikalisch enthält der Song eine ganze Reihe interessanter Details. So wird ein kleinerer, tanzbarer Part mit karibischen Fahrstuhlflair (falls es sowas gibt) in den Song eingeschoben, nur um im Anschluss dank scharf angeschwollener Orgelwände in eine alptraumhafte Variation umgewandelt zu werden – der Fahrstuhl befindet sich sozusagen im freien Fall. Der Part kommt jedoch nicht von ungefähr, sondern wird melodisch bereits vorher im Song angedeutet und später wieder aufgegriffen. Auch erwähnenswert ist die eine schwer groovende Passage, die einen dezenten DEEP PURPLE-Einschlag in sich trägt. Abzüglich der Gitarre selbstredend.

Ein weiterer Klassiker des britischen Prog

Es lässt sich natürlich noch viel mehr hierüber sagen, doch irgendwann sollte dieser Text auch mal zum Ende kommen. Schließlich lohnt es sich allemal, diesen Klassiker nicht nur von VAN DER GRAAF GENERATOR selbst, sondern des britischen Prog im Allgemeinen zu entdecken und die lyrischen Untiefen des Herrn Hammill auf sich wirken zu lassen, um die sich dieses Album letzten Endes aufbaut. Als eines der erfolgreicheren Alben der Band hat es sich diesen Erfolg definitiv verdient durch herausragendes, detailverliebtes und ausgeglichenes Songwriting. Es ist schlicht und ergreifend eines der besten Werke der Band und gehört damit in jede gut sortierte Plattensammlung, in der sich auch nur ein Hauch von echtem Prog wiederfinden kann.

31.10.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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