Van Canto - Hero

Review

Zugegeben, als VAN CANTO vor anderthalb Jahren ihr Debütalbum „A Storm To Come“ auf den Markt brachten, hielt ich das Ganze zunächst für einen schlechten Scherz. Schnell wurde ich jedoch eines besseren belehrt, denn das Sextett meint es mit seinem A-Capella-Metal verdammt ernst. Und das ist auch gut so, denn so originell und unverbraucht wie dieses Konzept ist, wundert das große Interesse und die positive Resonanz der Metal-Szene kaum.

Nun liegt mit „Hero“ also das zweite Album vor. Und nachdem man auf dem Debüt noch viel Wert auf eine Demonstration der eigenen Songwriting-Qualitäten legte, tobt man sich hier mit ganzen fünf Cover-Versionen aus. Im rein vokalen Gewand bekommt jede davon natürlich noch einmal ein ganz anderes Feeling als die zugrundeliegenden Originale. Lediglich ein Drummer unterstützt die vier Frontmänner plus Frontfrau, auf Saiteninstrumente wird komplett verzichtet.

Dass nun aber niemand flotte Riffs und Gitarrensoli zu vermissen braucht, liegt an der interessanten und variablen Gesangstechnik, bei der Rhythmusgitarren und Bass durch die verschiedensten „Rakkatakkas“ und „Damdams“ auf den Stimmbändern emuliert werden. Und was EDGUY-Sänger Tobias Sammet mit seinem „gesungenen Gitarrensolo“ in „Return To The Tribe“ vom 2006er-Album „Rocket Ride“ angeregt hat, wird hier zur Perfektion gebracht und ist stellenweise nur mit größter Mühe von den Klängen einer richtigen Elektro-Klampfe zu unterscheiden.

Die Auswahl der Cover-Stücke beweist Geschmack. NIGHTWISHs „Wishmaster“ atmet die hymnische Atmosphäre des Originals und besonders in den Stakkato-Parts – gekonnt mit launigen „Tam Tam Tam Tam“-Intonierungen unterstrichen – zeigt sich die gesteigerte Dynamik, die sich aus dem Wegfall der üblichen Gitarre/Keyboard/Bass-Teppiche ergibt. Mit dem DEEP PURPLE-Kracher „Stormbringer“ zeigen VAN CANTO, dass auch ganz großer Stadionrock im A-Capella-Gewand funktionieren kann.

Betrachtet man sich das Titelbild einmal genauer, liegt auch die Interpretation von „Kings Of Metal“ auf der Hand: An dem muskelbepackten Oberkörper des schwertschwingenden VAN CANTO-Heroen dürfte auch Ledertanga-Träger Joey DeMaio Gefallen finden. Ob dies auch für die geniale Umsetzung seiner Komposition gilt, ist bislang leider nicht bekannt. Es zeigt sich aber, dass VAN CANTO im Jahre 2008 um einiges mehr Metal sind als MANOWAR.

Wenn man in den BLIND GUARDIAN-eigenen „Twilight Hall“-Studios mit deren Stammproduzent Charlie Bauerfeind aufnimmt, muss natürlich auch ein Stück der Krefelder dran glauben – in diesem Fall der obligatorische „Bard’s Song“, der gekonnt in Szene gesetzt wird. Absolutes Cover-Highlight ist jedoch der IRON MAIDEN-Überhit „Fear Of The Dark“, der mit weiblichen Lead-Vocals und mystischen Background-Chorälen dem Original qualitativ in nichts nachsteht.

Dieses starke Schwermetall-Wunschkonzert sollte natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die fünf Eigenkompositionen auf ganzer Linie überzeugen können. Von der als Opener verwendeten ersten Single-Auskopplung „Speed Of Light“ bis zum abschließenden Titeltrack „Hero“ kommen alle Punkte gekonnt auf den Punkt und würden auch ohne den A-Capella-Exoten-Bonus einen Gutteil der Power-Metal-Konkurrenz verdammt alt aussehen lassen. Mit BLIND GUARDIAN-Sänger Hansi Kürsch lässt man bei „Take To The Sky“ quasi seinen Gastgeber zu Wort kommen, der auch unüberhörbar eines der wichtigsten Vorbilder für Lead-Sänger Sly darstellen dürfte.

Insgesamt also ein originelles und gelungenes Album, dessen ungewöhnliches Konzept hervorragend aufgeht. Die Digipack-Erstauflage enthält zudem eine Bonus-DVD mit Video-Clips, zugehörigen Making-Ofs, Einblicken in die Studioarbeit, einer Fotogalerie und einem informativen „Track By Track“-Special.

11.10.2008
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