Vallenfyre - A Fragile King

Review

Galerie mit 25 Bildern: Vallenfyre - Vallenfyre - Tour 2014

„Jedem Ende wohnt ein Anfang inne.“

Das bekannte Zitat Hermann Hesses scheint geradezu dafür gemacht, die Entstehungsgeschichte der neuen englischen Death-Metal-Formation VALLENFYRE auf den Punkt zu bringen: Im Dezember des Jahres 2009 verstarb John Mackintosh, Vater des vielen als PARADISE LOST-Gitarrist bekannten Gregor Mackintosh, an Prostatakrebs. Sein Sohn versuchte, Schmerz und Trauer zu verarbeiten, indem er sie in kreative Bahnen lenkte und Musik schrieb. Darüber kehrte er zu seinen Wurzeln zurück, die im Death, Crust und Doom der 80er-Jahre liegen – in einer Zeit, da sein Vater seine musikalischen Ambitionen beziehungsweise die der 1988 gegründeten PARADISE LOST in der aufkeimenden Death-Metal-Szene unterstütze. Mit den Monaten verwandelte sich der ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit gedachte emotionale Befreiungsschlag in etwas Positives, Gregor Mackintosh fand Freude daran und in seinem Bandkollegen Adrian Erlandsson (Schlagzeug; AT THE GATES, PARADISE LOST) sowie seinen Kumpels Hamish Clencross (Gitarre; MY DYING BRIDE), Mully (Rhythmusgitarre) und Scoot (Bass; DOOM) schnell enthusiasthische Mitstreiter. VALLENFYRE, altenglisch für „starkes Feuer“, war geboren und der Vertrag mit Century Media nach einem eindrucksvollen Demo kaum mehr als Formsache.

Die gelegentlich und etwa bei „A Thousand Martyrs“ oder dem melodischsten Stück „My Black Siberia“ etwas markanter zu vernehmenden, unheilvoll-charakteristischen Gitarrenläufe Mackintoshs, der „A Fragile King“ über sein Saitenspiel hinaus mit eindringlich tiefem Grunzgesang und zahlreichen Uuuhh- und Aaaaarr-Lauten veredelt, bilden als Reminiszenzen an frühe PARADISE LOST nur ein Teil des Potpourris: Das VALLENFYRE-Debüt zeigt sich neben diversen Anklängen einflussreicher und extremer 80er-Jahre-(Metal-)Bands – von der hässlichen Schwere AUTOPSYs über einen Schuss CELTIC FROST bis hin zur Dissonanz AMEBIX‘ könnte man bei einer Obduktion vieles zutage fördern – besonders deutlich von frühem schwedischen Death Metal à la NIHILST und CARNAGE geprägt. Und auch wenn das „V“ im Logo beinahe mit der Nase auf SAINT VITUS und andere Doom-Metal-Größen wie CANDLEMASS stößt, gibt es mit „Seeds“ und „The Grim Irony“ nur zwei Stücke, die sich fast durchgängig in doomigen Gefilden bewegen, ansonsten wird nur gelegentlich das Tempo verschleppt. Diese Dosierung ist jedoch völlig ausreichend, steht dem Quintett aus Yorkshire doch überwiegend treibender Stoff – beispielsweise das großartige „Cathedrals Of Dread“ mit seinem mächtigen Mittelteil und dem sich aufgrund seiner Bildhaftigkeit einbrennenden Text („Your Christ Has Betrayed Us, Yeeaahh. And Even Death Himself Has Lied. […]“) oder auch ein rotziger Uptempo-Kracher wie „Humanity Wept“ – vorzüglich.

Eine große Leistung des knapp 42-minütigen Werkes besteht darin, bei gefällig-unpoliertem Retro-Klang und der Wucht dreier Gitarren den Spagat zwischen Schroffheit und Zugänglichkeit zu meistern, ähnlich einer von dunklen, zerklüfteten Felsen gezeichneten Landschaft, die doch mit ihrer merkwürdig anziehenden Erscheinung einen starken Entdeckergeist weckt. Auch eine auf den Supergroup-Charakter, den manch einer vielleicht kritisch ins Feld führen möchte, zurückzuführende etwaige Künstlichkeit ist zu keiner Zeit zu verspühren, das Material wirkt stets vollkommen natürlich gewachsen, energisch und beseelt.

2011 hatte bisher in Sachen Todesblei alter Schule schon einige blut- und dreckverschmierte Perlen zu bieten, so etwa die gelungene Rückkehr AUTOPSYs, das starke SONNE ADAM-Debüt und das mindestens ebenbürtige NECROS CHRISTOS-Zweitwerk. Und jetzt, zwei Monate vor Toreschluss, folgt mit VALLENFYRE wohl DIE Überraschung des Jahres. Wer hätte schon gedacht, dass Gregor Mackintosh nach 20 Jahren, die ihn über entlegene musikalische Pfade geführt haben, noch einmal zum Ausgangspunkt seiner Reise zurückkehrt – und dann dermaßen eindrucksvoll? Sein Vater John wird für Gregor Mackintosh der gebrechliche, von der Krankheit zerfressene König bleiben, er selbst kehrt mit „A Fragile King“ zurück wie ein lange totgeglaubter Herrscher, der prachtvoll und mitsamt tausenden Männern in Waffen in sein altes Reich einzieht und es mit starker Hand zurückfordert.

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17.10.2011

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