Keine Frage, VALKYRIE leben in der Vergangenheit. Musikalisch zumindest. Obwohl erst 2002 gegründet (übrigens unter anderem von Jake und Pete Adams, letzterer auch bekannt mit seiner anderen Band BARONESS), der Lo-Fi-Sound, Coverartwork, die Riffs, Melodien, Gesang – wo man auch hinhört und hinsieht, überall ist da diese gewaltige Stimme, die “Achtziger!!! Achtziger!!!“ schreit. Ob die Huldigung an die vergangenen Tage blanker Anachronismus oder wohltuende Abwechslung im Hochglanz-Einheitsbrei heutiger Veröffentlichungen ist, wird jeder für sich selbst beantworten müssen. Ich starte zumindest einmal den Versuch, beide Seiten etwas zu beleuchten.
Für die Lösung “Anachronismus“ spricht einerseits der sehr, sehr gewöhnungsbedürftige Sound, bei dem das sehr naturnahe Schlagzeug extrem im Vordergrund steht und die Gitarren weit zurück drängt, andererseits auch auch, dass die meisten Riffs und Leads schon seit etwa einem Vierteljahrhundert bekannt sein dürften. Unvermeidbar der Vergleich mit BLACK SABBATH, aber auch mit den folgenden Doom-Größen wie ST. VITUS, PENTAGRAM oder sogar den quietschbunten Anfangstagen von IRON MAIDEN. Wer mit diesen Bands aufgewachsen ist, könnte (unberechtigterweise) “Man Of Two Visions“ eher als eine Art Cover-Album sehen, ohne dass es die Magie der großen Namen von damals in sich birgt, wie ja eigentlich alle Veröffentlichungen dieser Art nach dem Jahr 1995. Die Tatsache, dass es trotzdem ein paar Bands gibt, die immer wieder auf die totale musikalische Reduktion auf das Riff-An-Sich in Retro-Soundgewand zurückgreifen, demnach eine offenbare Ideenlosigkeit?
Mitnichten, denn ist es nicht viel uninspirierter, knalligen, pseudodüsteren, moderneren Hochglanzmetal runterzunudeln, der nicht seit 25, wohl aber seit zehn Jahren inflationär auf den Markt gekotzt wird? Dies alles hat absolut nichts mit VALKYRIE zu tun, denn hier denken und lenken Sankt Riff, Kardinal Dreiakkord und Papst Klagegesang. Egal ob es diesen Stil vorher schon gab, auf merkwürdige Weise berühren die sechs Songs und das geniale Akustikgitarrenstück “The Gorge“, gerade wegen ihrer Einfachheit und Begrenztheit. Ein Album, dass nicht in den Ohren weh tut, sondern die gequälte Seele auf Verständnis stoßen lässt und dennoch immer kleine Lichtblicke zulässt. Kein Ultraschwarz-Doom a lá MY DYING BRIDE, kein Hippiekram, kein Drone, keine übermäßig verzerrten Krachorgien, sondern die pure, halbokkulte, emotionale Seele des Doom Metal. Keine unnötigen Geschwindigkeitsbeschränkungen, die das Album eintönig erscheinen lassen würden, keine Keyboardkleister, die Kunst zu Kitsch verwandeln würden, lediglich an sehr, sehr wenigen ausgewählten Stellen ein kurzer Hammond-Orgel-Einsatz.
Das Gesamtbild, dass VALKYRIE auf “Man Of Two Visions“ erschaffen, hat als einzigen Makel die kurze Spielzeit. Ansonsten gibt es rein gar nichts auszusetzen, vor allem wenn man sich erst einmal so weit in die Scheibe eingehört hat, dass der Sound als atmosphärisch unterstützendes Stilelement wahrgenommen wird. Das funktioniert ähnlich wie bei IRON MAIDENs “The X-Factor“, dem meiner Meinung nach unterbewertetsten Album der Briten. Doom-Fans dürfen sich diese Perle nicht entgehen lassen! Aber vorsicht: Kulturschockgefahr für engstirnige Avantgardisten und reinen Major-Label-Konsumenten!
Kommentare
Sag Deine Meinung!