Valborg - Crown Of Sorrow

Review

Im Prinzip könnte ich jede Rezension eines Album aus dem Zeitgeister-Ring mit demselben Satz beginnen: Die Zeitgeister erschaffen immer wieder ihre ureigene Atmosphäre.

Was bei oberflächlicher Betrachtung klingt, als wäre die Musik des Bonner Künstlerzirkels in irgendeiner Weise limitiert, ist – und das sollte jedem klar sein, der sich mit den Veröffentlichungen von ISLAND, KLABAUTAMANN, GRUENEWALD und eben auch VALBORG (um nur die wichtigsten zu nennen) beschäftigt hat – in Wirklichkeit ein Riesenkompliment. Was die Zeitgeister nämlich mit scheinbarer Leichtigkeit schaffen, ist, immer neue Räume innerhalb ihres musikalischen Kosmos zu erforschen. Was bei KLABAUTAMANN gleichzeitig ätherisch und sehr organisch klingt, findet bei ISLAND eine melancholische, teils entrückte Ausdrucksweise – und VALBORG ist wieder etwas anders, aber eben typisch Zeitgeister.

Der erste wesentliche Unterschied zwischen VALBORG und den anderen genannten Projekten ist wohl der, dass „Crown Of Sorrow“, der dritte Longplayer des Dreigestirns um Christian Kolf und Jan Buckard (mit wechselnden Schlagzeugern; momentan sitzt Florian Toyka hinter dem Drumkit), komplett live eingespielt wurde. Daraus ergibt sich dann auch meine folgende Einordnung VALBORGs in das Zeitgeister-Universum: VALBORG ist ein Rohdiamant. Nicht DER Rohdiamant, denn dafür ist VALBORG zu einzigartig, aber eine roher, ungeschliffener Ausdruck der Welten, in denen sich die Zeitgeister bewegen. Mal klingen VALBORG nach NEUROSIS oder ISIS, mal nach frühen OPETH, mal „einfach“ ziemlich rotzig-rockig. Man spürt als Hörer die Spontaneität, die Impulsivität, mit der die Musiker am Werk sind – und doch wirken die Songs abgrundtief, sowohl atmosphärisch als auch musikalisch. Und gerade das ist es, das – so möchte ich behaupten – im deutschsprachigen Raum nur die Zeitgeister schaffen.

Diejenigen, die oben bei der Erwähnung der Live-Aufnahme mit einem Stirnrunzeln an den Klang des Albums gedacht haben, kann ich hier beruhigen: Die Musik auf „Crown Of Sorrow“ klingt angenehm differenziert, verliert aber nichts von ihrem spontanen Charakter – ich ziehe an dieser Stelle meinen Hut vor dem Mix und dem Mastering.

Einziger objektiver Kritikpunkt an „Crown Of Sorrow“ besteht in der Länge des Albums, das mit knapp 36 Minuten arg kurz geraten ist. Was mich persönlich am Ansatz VALBORGs weniger vom Hocker reißt als die anderen Zeitgeister-Veröffentlichungen, liegt wohl in meinem eigenen Geschmack begründet: Ich mag die zu Ende gedachte, ausgeklügelte Seite ISLANDs oder KLABAUTAMANNs etwas lieber als die ungestüme, rohe Fassung VALBORGs.

14.04.2010
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