Die Schweden USURPRESS existieren seit acht Jahren und waren mit drei Alben, einigen Splits und ähnlichen Veröffentlichungen schon äußerst fleißig. Die Richtung Death Metal, die sie spielen, war schon immer ein wenig abseits der Standard-Pfade zu verorten, also des Göteborg- bzw. Stockholm-Sounds (auch wenn Stockholm hier durchaus als Fundament dient) und hat leicht experimentellere Ebenen im traditionellen Schwedentod gestreift. Auf dem neuesten Schlag „Interregnum“ wird das ein wenig weiter ausgebaut, nicht nur aufgrund von Neuverpflichtung Stefan Hildman als Drummer und Erik Sundström als Mann hinter Keyboard und Synthesizern.
USURPRESS sind Profis hinter den Instrumenten
Auffallend ist die Versiertheit, mit der komponiert wird, und auch die Fähigkeiten, die an den Instrumenten demonstriert werden. Sollte bei Musikern, die schon länger zusammen musizieren, nicht weiter verwundern, aber auch Menschen mit durchschnittlicher Begabung bekommen mit einem glücklichen Händchen durchaus gute Songs hingezaubert. Will sagen, Technik und Virtuosität reichen nicht immer für gute Songs. Das gilt leider auch ein wenig für diese Platte.
Der Opener „A Place in the Pantheon“ startet noch gemächlich mit Erzählerstimme und unaufgeregten Riffs, auch wenn hier der Jazz-Hintergrund von Neu-Schlagzeuger Stefan Hildman schon durchscheint und auch der Synthesizerteppich leicht auf Progressivität auslegt ist. Ein klasse Solo zur Einstimmung gibt es dazu. Ungewöhnlicher Anfang, aber handwerklich bereits hochqualitative Ware am Start. Wie schwedischer Death Metal eigentlich zu klingen hat, macht Nachfolger und Titelsong „Interregnum“ dann klar, der mit etwas über 2 Minuten beinahe in der Tradition der punkigen Seite von frühen ENTOMBED steht. Allerdings fällt auch hier wieder das filigrane, mit vielen kleinen Fills und Spielereien versehene Spiel von Drummer Hildman, aber auch das ebenso virtuose Spiel von Gitarrist Påhl Sundström positiv auf, das eine andere Dynamik in das Gewohnte hineinbringt.
Gewöhnungsbedürftiger Mix
Die restlichen Songs bleiben dann bei dieser Kompositionstechnik: Schwedischer Death Metal der ruppigen Art wird mit progressiven (gemeinten?) Sounds wie Flöten-Samples, Piano, Klargesang bzw. Spoken Word und ähnlichen Dingen gemixt. Was sich erst mal interessant anhört, funktioniert leider nicht ganz und wirkt teilweise mehr wie zusammengesetztes Stückwerk („In Books without Pages“, „Ships of Black Glass“). Im Einzelnen kann die Mischung in höchsten Tönen überzeugen (Der dramatische Songaufbau von „Late in the 11th Hour“, der zu beinahe doomigen Gefilden mit jazziger Untermalung schlussendlich wächst und ein kleiner Hit auf diesem Album ist!), allerdings bleibt ein etwas fader Nachgeschmack zurück. So wirkt der Rausschmeißer „The Vagrant Harlot“ beispielsweise auf mich fast ein wenig wie der in Teilen gelungene Versuch, neuere TRIBULATION mit der KING DUDE-Stimme zu mischen. So was kann funktionieren, muss aber dementsprechend behutsam und mit Bedacht angegangen werden. Dabei ist nicht gemeint, dass das Dargebotene schlecht ist oder keine Daseinsberechtigung hat, aber es ist einfach teilweise unpassend eingesetzt und innerhalb der Songs ungeschickt genutzt. Letzten Endes bekommt man so weder auf der einen Seite wirklich gute Elchtod-Songs, noch auf der anderen Seite interessante, überzeugende Experimente zustande.
Weder Fisch noch Fleisch?
So gibt es auf der einen Seite Parts, die astreinen, groovigen oder auch schwer bedrückenden Schwedentod zelebrieren, um dann eine Sekunde später in ein perkussiv unterstütztes, herumsäuselndes Etwas mit verfremdetem Klargesang umzuschlagen, was scheinbar avantgardistisch gemeint ist, einen gedanklich aber nur die Hände über den Kopf zusammen schlagen lässt. Hier wäre vielleicht mit etwas mehr Feilen an den Songs und besserer Verknüpfung bzw. Einsatz der progressiven Teile, sei es durch etwas mehr Rotstift oder durch Nacharbeiten während Songwriting und Komponieren, mehr drin gewesen. Wirklich originell oder neu ist der Ansatz, progressivere Ausrichtung bzw. beinahe in Jazz-Richtung gehende Ausflüge mit Death Metal zu mischen (ATHEIST, CYNIC oder PESTILENCE zu „Spheres“-Zeiten), auch trotz der üblichen Promobeteurungen nicht.
So ist es äußerst schade, dass es USURPRESS auf „Interregnum“ nicht schaffen, diese Blöcke miteinander so gut zu verbinden, wie andere Bands das können. Das mögen andere subjektiv durchaus anders sehen, weshalb ich auch definitiv zum Reinhören und auch mehrmaligen Hören der Platte, um sie sich entwickeln zu lassen, rate. Mich haben USURPRESS auf „Interregnum“ teils überrascht, teils geärgert, kurzzeitig begeistert, aber nicht auf Albumlänge überzeugt. Potential ist in diesem Mix aber durchaus vorhanden, von daher bin ich auf nachfolgendes gespannt, falls es in demselben Stil bleiben sollte. Dazu ist der Sound ein Träumchen auf dieser Platte: jedes Instrument hat Platz, trotzdem wirkt hier nichts überproduziert, ob das die fetten Gitarren sind, der glücklicherweise nicht zu sehr im Hintergrund rumknarzende Bass oder das fantastische produzierte Schlagzeug. Ich hab mich lange nicht mehr nur an der Produktion einer Platte im Metalbereich so dusselig gefreut.
Gründe, weshalb das Songwriting so abgelaufen ist, wie es ist oder auch warum die Jazz-Schlagseite speziell beim Schlagzeug mit hinein gekommen ist, erfahrt ihr hier:
Starkes Review. Ich sehe das alles ganz genau so, von der wirklich herausragend guten Produktion bis zu den Songs, denen der letzte Kniff fehlt. Die progressiven Elemente sind ebenfalls klasse, auch die auf alt getrimmten Keys, aber es bleibt einfach nix hängen. Und Jazz ist ja wirklich nix neues mehr im genre, zumal ich echten Jazz auch nicht heraushöre. Nur, weil eine Snare mal variabel mit unzähligen Zwischenschlgen eingesetzt wird, muss man nicht zwangsläufig von Jazz sprechen. Den Promozettel würd ich ja gern mal sehen… Diese Lobpreisungen für etwas, das längst normal ist. Usurpress hätten nach meinem Geschmack von allem noch etwas drauflegen müssen, um ein gutes Album abgeliefert zu haben.
Vielen Dank für den netten Kommentar. Gehe vollkommen konform mit dir. „Echten“ Jazz (Was auch immer das sein soll) höre ich auch nicht raus, allerdings hat Drummer Stefan Hildmann einen unverkennbaren Jazz-Hintergrund, den man durchaus raus hört und auch manche Gitarrenparts und die generelle Herangehensweise an die Kompositionen wirkt sehr viel „freier“ als in einem starren Metal-Korsett und daher fand ich den Jazzverweis nicht zu weit hergeholt. Die Promophrase auf die ich mich ezog lautet wie folgt: “ „Interregnum“ can be described as „an unholy mix between Camel and Bolt Thrower, that somehow works flawlessly“, so be prepared for something quite out of the ordinary. And out of this world.“