Warum freut man sich im Jahr 2018 noch ehrlich über ein neues Album von URIAH HEEP? Warum ist „Living The Dream“ tatsächlich mehr als eine respektvoll nach einer Anstandswoche wegsortierte Routine-Angelegenheit?
Natürlich, weil die URIAH HEEP-Formel großartig ist: Eine lässige Band zelebriert den Rock: voluminöse Riffs, veredelt durch warme Orgelklänge sowie mehrstimmige Gesänge, die zuverlässig in griffige, aber nie aufgesetzt wirkende Refrains münden.
Ergebnis: Es entstehen praktisch unverwechselbare Rocksongs, zu denen man zwar nicht eben den Rest des Pits auf 180 vermöbeln möchte – zu denen man aber angemessen euphorisiert Faust und Rockerbein bewegen und in Würde älter werden mag.
Dazu kommt, dass die Band mit ihrer Musik wie nur wenige andere ein Gefühl des Zu-Hause-Seins zu vermitteln weiß. URIAH HEEP waren nicht nur schon immer da (die Helden Phil Lanzon und Bernie Shaw allerdings erst seit ’86 …), sie waren bei kleineren Durststrecken (die auch schon wieder Dekaden zurückliegen) auch immer mindestens gut.
Bei URIAH HEEP gibt es Demons & Wizards zum Tee
Und das Zuhause, das sich auch beim Hören von „Living The Dream“ vor dem inneren Auge auftut, kommt ohne jeden spießigen Kleister aus. Es ist vielmehr ein stilvolles Anwesen irgendwo im verregneten englischen Hinterland. Nachmittags wird Tee gereicht, abends brennt die Luft gediegen im nahen Pub.
Statt einer Reihe dörflicher Barnaby-Morde schärfen die Szenerie allerdings Details wie die mystischen Dämonen-Figuren vor der örtlichen Kapelle oder der seltsame Spiegel hinter der Bibliothek, der zu leben scheint. Und das mittlerweile unabhängig von den tatsächlichen Inhalten der Lyrics. Das Bild ist schlicht da, kaum dass Orgel und Stimme erklingen. Kurzum: URIAH HEEP bieten Eskapismus der zuverlässigen und vor allem der edlen Art.
„Living The Dream“ lässt den Großteil hinter sich
„Living The Dream“ im Speziellen ist sicher im oberen Drittel der über 20 Alben umfassenden Diskografie URIAH HEEPs einzusortieren. Mick Box schreibt mit Phil Lanzon packende Songs, die Orgel des letzteren kommt noch etwas exzessiver als zuletzt zum Einsatz und Bernie Shaw singt wie ein im Herzen junger Gott.
Großartig ist zum Beispiel das lange, als proggiges Seventies-Epos angelegte (bzw. bezogen auf URIAH HHEP selbst vielleicht auch in die 80er/90er weisende) „Rocks In The Road“ mit seinen ausufernden Tasten-Passagen. Gleiches gilt für den hymnischen Titelsong mit seinen formidablen Harmonien und das zauberhafte „Waters Flowin'“ mit seinem gefühlvoll-düsteren Ende. Und weitere, im Grunde fast alle Stücke könnten genannt werden.
Welch ein Dino!
URIAH HEEP erfinden sich nicht neu, aber nehmen virtuos mit auf eine Reise durch die glänzenden Passagen der eigenen Historie. „Living The Dream“ ist das x-te tolle Album in Serie und fast so toll wie das überragende und etwas übersehene „Into The Wild“ aus dem Jahr 2011.
DEEP PURPLE? SCORPIONS? SABBATH? Der coolste Überlebende der Dinosaurier sind URIAH HEEP. Diskutiert wird nicht.
Donnerwetter, ich hab es ja erst nicht glauben wollen, aber nachdem das Album an verschiedenen Stellen sehr gute Reviews kassiert hat und letzthin sowieso noch öfters mal eine Best-Of mit den ganz alten Schinken bei mir im Player rotierte, musste ich dann doch mal ein Ohr riskieren. Normalerweise kann man ja von Bands dieses Dienstalters (und die sind selten genug) wenig mehr als die Verwaltung des eigenen Backkatalogs erwarten, aber „Living the Dream“ klingt tatsächlich richtig frisch und knackig. Klar ist die ganze Chose voll von Selbstzitaten und klar erfinden Uriah Heep das Rad nicht neu, wozu auch, waren sie doch schon beim ersten mal dabei. Aber altbacken und altersmüde klingt halt auch anders. In der Form können die alten Männer gerne noch ein wenig weitermachen.