Mitten aus der kanadischen Extrem-Prog-Szene heraus starten UNEXPECT mit „In A Flesh Aquarium“ ihren zweiten Angriff auf die Gehörgänge dieser Welt. Wer den Vorgänger kannte, wird schon wissen, dass auch dieses mal wieder der vertonte Wahnsinn hinter jeder Note lauert.
Ohne Rücksicht auf mentale Verluste auf Seiten der Hörer knüppelt sich die Truppe eine ganze Stunde lang durch ein wirres Dickicht aus Breaks und Effekten. Aberwitzige Melodieläufe, ein rasendes Schlagzeug und hektisch eingeworfener Gesang, Gegrunze und gesprochene Worte in weitgehend unstrukturierten Arrangements degradieren jeden Psychopathen zum braven Bundesbürger und zeigen wieder einmal, wie viel Verachtung für konventionelle Strukturen in nur eine einzige Stunde Musik hineinpasst. Es fällt schwer, bei soviel Chaos markante Stücke hervorzuheben; besonders das erste Drittel der Scheibe droht, bisweilen nicht nur Chaos zu verbreiten, sondern auch darin zu versinken. Dabei stört weniger die nicht vorhandene Form, sondern eher der extrem höhenlastige und sterile Klang, der nicht so recht Atmosphäre aufkommen lassen will.
Erst mit „Silence 011010701“ wendet sich „In A Flesh Aquarium“ seiner besseren Seite zu und es wird abwechslungsreicher inmitten einem Wirrwarr aus dissonantem Gequietsche und zusammenhangslos wirkenden Melodieversatzstücken. Es tauchen auch mal wärmere Klänge auf und die Zusammenhänge werden ein kleines bisschen greifbarer, kurzum: Die überbordende Kreativität wurde in konstruktive Bahnen gelenkt, auch wenn nach wie vor der Irrsinn regiert.
Eine Gratwanderung ist es, die UNEXPECT mit „In A Flesh Aquarium“ geleistet haben – der klassische Grenzfall zwischen Genie und Wahnsinn eben. Das wirkt manchmal ermüdend und raubt den letzten Nerv, aber dafür entschädigt das Gefühl, in einer riesigen Theateraufführung zu sitzen und zusehen zu dürfen, wie eine kranke Psyche musikalisch seziert wird. Vorhang auf für den Weltuntergang!
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