Undertow - Reap The Storm

Review

Galerie mit 16 Bildern: Undertow - Rock am Härtsfeldsee 2023

Ein Thrash-Fundament und dann noch hier und da ein wenig groovendes Beiwerk? Alles klar! Ruck Zuck hat man einer Band einen Stempel aufgedrückt. Dazu könnte man sich auch bei UNDERTOW verleiten lassen, denn grundsätzlich liegt man mit dieser Einschätzung gar nicht so verkehrt. Allerdings ist das im Fall der Schwaben, die bereits seit beachtlichen 25 Jahren ihr Ding durchziehen, ein wenig zu kurz gegriffen. „Reap the Storm“, mittlerweile dann auch schon der achte Longplayer des Vierers, bietet durchaus Überraschungen, die man so in diesem Genre gar nicht erwarten würde.

UNDERTOW – Thrash, Groove und trotzdem viel Gefühl

Das mit Akustikgitarren und melancholischen Leads ausgestattete Intro „Floating“ dürfte schon einmal jeden verwundern, der einfach die komplette Groove-Abfahrt erwartet. Der eigentliche Opener „Zero Type X“ geht da natürlich schon eher in diese Richtung. An einigen Stellen klingt das Organ von Joachim „Joschi“ Baschin – nach dem Ausstieg von Bassist Thomas Jentsch mittlerweile das einzig verbliebene Originalmitglied – auch schon mal nach Hardcore-Gekeife. Wer jetzt aber direkt an PRO-PAIN und Konsorten denkt, liegt ziemlich daneben, was der UNDERTOW-typische, melodische Refrain auch direkt deutlich macht.

Der in eher gemäßigtem Tempo gehaltene Titelsong überzeugt gleich zu Beginn mit einem bockstarken Riff, das gleichermaßen simpel wie effektiv daher kommt und dafür spricht, dass auch nach 25 Jahren durchaus noch genug musikalisches Feuer in den Bandmitgliedern brennt. Nachdem an die Themen „schnelles Geknüppel“ und „Mid-Tempo“ schon mal ein Haken auf der imaginären Checkliste gemacht werden kann, zeigen UNDERTOW in „Empire“, dass auch eine Halbballade im bandtypischen Sound funktionieren kann. Die tiefen Gastvocals von END OF GREEN-Sänger Michelle Darkness und das ebenfalls zum Einsatz kommende Klavier verstärken die düstere Grundatmosphäre entsprechend. „11 Hours“ ist als reine Akustikballade sogar noch ein wenig gefühlvoller und Joschi beweist, dass er ruhigen Gesang auch ohne Gäste am Mikrofon schultern kann.

Die übrigen Songs sind dann wieder ein wenig konventioneller, irgendwo zwischen Thrash und Groove Metal angesiedelt, ohne dabei aber in simple Gefilde à la PANTERA abzudriften. UNDERTOW verstehen es immer wieder, interessante Elemente aus anderen Metalgenres einzubinden, wie zum Beispiel im doomigen „Crown of Scars“. Darüber, ob eine Coverversion des Dance-Pop-Hits „I Turn To You“ von Ex-Sporty-Spice Mel C allerdings unbedingt nötig gewesen ist, lässt sich ebenso streiten wie über den ein oder anderen Filler („Burdened“). Nicht ganz astrein ist dann auch die Produktion, die an einigen Stellen etwas zu aufgeblasen wirkt. Hier hätte man vielleicht etwas reduzierter zu Werke gehen müssen.

Ein abwechslungsreiches Album mit ein paar Schönheitsfehlern – „Reap The Storm“

Auch auf „Reap The Storm“ stellen UNDERTOW eines klar: Sie müssen nichts mehr beweisen. Die ganz große Karriere war es nie, aber vielleicht ist das gerade der Pluspunkt, der dafür sorgt, unverkrampft ans Songwriting herangehen zu können. Wie schon auf den beiden Vorgängern, ist auch hier eine Menge Abwechslung im Spiel, die einem Genre, in dem eigentlich schon alles gesagt ist, durchaus noch einmal ein paar neue Sichtweisen hinzufügen kann. Die Band bleibt zwar bei ehrlichem, straighten Metal, in dem sie aber alles unterbringt, was selber gefällt, unabhängig von Genrezugehörigkeiten.

Eines ist aber auch ganz klar: Auch wenn Sänger Joschi versucht, so viel Variation wie möglich in die Vocals einzustreuen, so bleiben seine Ausdrucksmöglichkeiten limitiert und erinnern des Öfteren an Kirk Windstein von CROWBAR. Ein gewisser Abnutzungseffekt stellt sich daher auf der gesamten Albumlänge durchaus ein, auch bedingt durch das häufig verwendete Gerüst der geshouteten Strophen und gesungenen Refrains. Unter dem Strich bleibt ein, zumindest über weite Strecken, abwechslungsreiches Album, auf dem die Band wenig falsch macht, das aber auch seine Längen hat und einen nicht immer perfekt abgestimmten Sound.

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01.12.2018

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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5 Kommentare zu Undertow - Reap The Storm

  1. ClutchNixon sagt:

    Nicht ganz so zwingend wie auf „In deepest Silence“, aber immer noch stark genug um alles auf die Plätze zu weisen was in Deutschland Doom und Groove verbindet. Die kleinen CROWBAR werden stets meine Erwartungen erfüllen, da ihre Songs „echter“(man verzeihe mir diese gar fürchterliche Floskel) nicht sein könnten. Zum Abschluss noch der Textauszug des Monats:
    „Die übrigen Songs sind dann wieder ein wenig konventioneller, irgendwo zwischen Thrash und Groove Metal angesiedelt, ohne dabei aber in simple Gefilde á la PANTERA abzudriften“… Bruhahaha… Lieber Mirko, merkste selbst, nech?

    8/10
  2. doktor von pain sagt:

    Mal abgesehen davon, dass es „à la“ heißt ( so rum gehört der Accent, sagt der penible Klugscheißer): Pantera sollen musikalisch „simpel“ gewesen sein? Nee, is‘ klar…

    1. Mirko Pidde sagt:

      Bevor es hier jetzt einen mittelschweren Shitstorm gibt: Meiner Meinung nach verbinden die meisten Leute mit Pantera doch eher die simplen, oder sagen wir effektiven Songs wie „Walk“. Daher der Vergleich. Und ja, mir ist bewusst dass das Riff von „Walk“ damals ungewöhnlich für den Metal und daher recht innovativ war – simpel bleibt es trotzdem. Also zur Beruhigung: Ja, Pantera haben auch Musik geschrieben, die alles andere als simpel war, aber ich als Mainstream-Kid der 90er denke bei dem Namen eben eher an das einfache Zeug 😉

      Den „à la“-Fehler habe ich natürlich korrigiert, danke für den Hinweis!

      1. doktor von pain sagt:

        Ja, okay, „Walk“ ist für Pantera-Verhältnisse eine einfach gestrickte Nummer, aber die ist ja eher die Ausnahme als die Regel – von daher kann man nicht allgemein davon sprechen, dass Pantera „simpel“ sind. Darauf muss ich schon bestehen, Sir.

      2. ClutchNixon sagt:

        Denk dir so einen Song mal aus 😉