Ulver - Wars Of The Roses

Review

Was schreibt man über das neue Album einer Band, die nicht nur seit achtzehn Jahren die Musikwelt bereichert, sondern dies auch noch in ständig changierender Gestalt tut? Mit anderen Worten: Was ist über ULVER eigentlich noch nicht gesagt worden?

Ganz ehrlich: Ich persönlich würde am liebsten schweigen und die Musik für sich sprechen lassen. Aber selbst das ist bei „Wars Of The Roses“ nicht so leicht wie ich es mir gern machen würde…

Zunächst: ULVER bleiben ULVER. So schwammig diese Aussage angesichts der vielfältigen Diskographie ULVERs auch scheinen mag, Kenner des musikalischen Outputs der Norweger werden beim Genuss des neuen Albums einige Déjà Ecouté-Erlebnisse haben – die sich weder auf den charakteristischen Gesang Krystoffer ‚Garm‘ Ryggs beschränken noch „Wars Of The Roses“ zu einem weniger aufregenden Ereignis machen.

Dieses Ereignis besteht aus sieben Songs, die unterschiedlicher kaum sein könnten. So ordnet sich der vorab veröffentlichte Opener „February MMX“ irgendwo zwischen dem Groove „Blood Inside“s und dem organischen Feeling des 2007er Meistewerks „Shadows Of The Sun“ ein; das folgende „Norwegian Gothic“ wirkt in seiner Balance zwischen Elektronika und klassischer Instrumentierung beinahe fragmentarisch, in jedem Fall aber fragil. Aus atmosphärischer Sicht jedenfalls sind beide Stücke trotz (oder gerade wegen?) ihres Kontrastreichtums integer und geben die emotionale Stoßrichtung vor, die auch das folgende achtminütige „Providence“ verfolgt: Ein Duett Ryggs mit der norwegischen Soul(!)-Sängerin Siri Stranger, das mich ein wenig an THE GATHERINGs „A Life All Mine“ („Souvenirs“) erinnert.

Bevor ich mich aber ganz in einer „Song by Song“-Abhandlung verliere, möchte ich nur noch die beiden abschließenden Stücke „Island“ und „Stone Angels“ beleuchten, bevor ich schließlich etwas allgemeiner werden möchte: Erstgenannter Song ist ein scheinbar(!) organisches, scheinbar(!) entspanntes Stück Musik, das den momentanen künstlerischen Ansatz ULVERs wie kein anderes Stück des Albums umreißt, „Wars Of The Roses“ musikalisch wie auch emotional abrundet und mein persönliches Highlight des Albums darstellt.

„Stone Angels“ dagegen ähnelt einem Monolithen, der musikalisch abseits des Albums steht, ULVER aber ebenso „verkörpert“ wie die ersten sechs Stücke. Das fast fünfzehnminütige Epos stellt eine Vertonung des gleichnamigen Gedichts aus der Feder des US-amerikanischen Dichters Keith Waldrop dar. Die Zeilen werden vom jüngsten Mitglied Daniel O’Sullivan gesprochen(!), der es trotz der ungewohnt nüchternen Herangehensweise schafft, ihnen Leben einzuhauchen – oder gerade nicht. Durch elektronische Soundscapes, die immer wieder von organischen Instrumenten (Klarinette, Oboe, Percussions) durchsetzt sind, entsteht vor dem geistigen Auge des Hörers eine Gefühls-Landschaft, die der emotionalen Welt ULVERs sehr nahe kommt.

Statements, yes. But what they stand for is long falling…

Wie aber lässt sich nun diese emotionale Welt ULVERs anno 2011 beschreiben? Es scheint mir, als sei die tiefe und konkrete Melancholie, die jede Sekunde von „Shadows Of The Sun“ durchzog, gereift; als habe sich eine Schutzschicht gebildet, die dem Hörer Distanz zum emotionalen Geschehen verschafft, ihn aus der Vogelperspektive zusehen lässt. Mit „Wars Of The Roses“ kehrt das Motiv der Vergänglichkeit zurück, das in anderer, urbaner Annäherung bereits auf „Perdition City“ zu finden war, und präsentiert ULVER erneut als Botschafter der Endlichkeit allen Seins. Doch auch „Wars Of The Roses“ stellt nur eine Momentaufnahme dar: ULVER sind nicht angekommen, und werden es wahrscheinlich nie – aber gerade das macht ihre Musik so herausfordernd, so unglaublich berührend.

In diesem Sinne kann es nur eine mögliche Wertung für ein Album geben, das sicherlich nicht perfekt ist, aber zu jeder Sekunde die flüchtige Gegenwart der getriebenen Künstler hinter ULVER widerspiegelt; das sicherlich nicht jedem gefallen, aber diejenigen, die sich darin fallenlassen, reichlich belohnen wird.

The worst death, worse than death, would be to die, leaving nothing unfinished.

17.04.2011
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