Ulver - Liminal Animals

Review

Manche Veröffentlichungsstrategien muss man auf Empfängerseite vermutlich nicht verstehen. Einige Bands werfen für die Promotion ihres Werkes so ziemlich alles in den Ring, was sie haben, wie das beispielsweise TESSERACT anno 2023 zu „War Of Being“ getan haben. Und dann gibt es Bands wie ULVER, die, ohnehin nie wirklich zu 100% vorhersehbar, einfach nahezu jeden Song ihres neuen Albums „Liminal Animals“ vorab veröffentlicht haben, bevor das eigentliche Album überhaupt heraus gekommen ist. Das „Teasern“ hat schon 2023 begonnen, bevor im August 2024 eine erschütternde Nachricht die Runde machen sollte.

Als eine dramatische Nachricht die Promotionskampagne von ULVER erschütterte …

Am 16. August 2024 ist Tore Ylvisaker verstorben, seit Ende der Neunziger eines der Kernmitglieder von ULVER und eine der wenigen Konstanten im volatilen Lineup der Norweger. In einer u. a. via Facebook-Post vom 30. November veröffentlichten Presseinfo aus der Feder von Tore Engelsen Espedal, die begleitend zum „Release“ des Albums hochgeladen worden ist, wird von der allmählichen Distanzierung Ylvisakers vom Lineup gesprochen, die sich 2022 abgezeichnet habe, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die Arbeiten am neuen Album begannen. Inwiefern er einen proaktiven Anteil an den Arbeiten zu „Liminal Animals“ hatte, geht hieraus allerdings nicht hervor.

Das hat die Veröffentlichung der neuen Platte zwar nicht verhindert, aber die Band hat noch eine Widmung an Ylvisaker in Form des Schlusstracks „Helian“ auf das Album gepackt, bei dem es sich um die Vertonung eines von Jørn H. Sværen vorgetragenen Gedichts aus der Feder von Georg Trakl handelt. Zum Zeitpunkt des Verfassens liegt keine Information vor, ob dieser Song tatsächlich nach dem Tod Yvisakers oder schon davor entstanden ist. Da das Stück nicht Bestandteil der vorab veröffentlichten acht Tracks gewesen ist, könnte es durchaus sein, dass „Helian“ erst nach August entstanden ist. Vermutlich wird im Laufe der Zeit hierzu noch ein bisschen mehr Licht ins Dunkel kommen.

„Liminal Animals“ wurde fast vollständig voraus geteasert

Lange Rede, wenig Sinn: Wie klingt „Liminal Animals“ in seiner Gesamtheit aber nun? Wer die beiden Vollzeitvorgänger „The Assassination Of Julius Caesar“ und „Flowers Of Evil“ noch im Ohr hat, wird sich über weite Teile hier wohl fühlen. Denn über einen Großteil der Spielzeit verfolgen die Norweger weiterhin den Pfad des Synthie Pop, der nicht selten um einige Ecken mit DEPECHE MODE und Co. verwandt ist. Ein paar experimentellere Ausflüge machen sie aber auch. Soll heißen: Zwischen den poppigeren Stücken finden sich durchaus Klanglandschaften, die wie bei „Nocturne #1+2“ an krautigere Momente á la „ATGCLVLSSCAP“, ferner im Falle von „Locusts“ auch beispielsweise an „Kid A“-Ära-RADIOHEAD denken lassen.

Insgesamt ist „Liminal Animals“ in seinen Synthie Pop-lastigen Momenten wieder eine Nummer zugänglicher und weniger gedämpft unterwegs als „Flowers Of Evil“, wobei die markanten Synth-Landschaften unter Zuhilfenahme warmer Gitarrenarabesken, perlender Klaviertupfer und nicht zuletzt Kristoffer Ryggs markantem Gesang immer noch eindeutig nach den zeitgenössischen ULVER klingen. Schöne, songexklusive Details wie das Saxofon von Jens Petter Molvær in „Forgive Us“ sind immer eine willkommene Abwechslung, was besagtem Song etwas Lounge-artiges verpasst. „Hollywood Babylon“ klingt indes, als hätte man eine Idee aus dem Hauptmotiv von DEPECHE MODEs „Precious“ genommen und weiter entwickelt.

Licht und Schatten in der fortwährenden Synthie Pop-Phase von ULVER

Auf der Haben-Seite liefern ULVER ferner „A City In The Skies“, ein stimmungsvoller Track wie aus dem Windschatten von „Flowers Of Evil“ stammend, sowie „The Red Light“, das die Synthie Pop-Phase der Norweger in eine experimentellere, komplexere Richtung zu steuern gewillt ist und dabei mitunter herrlich melodramatische Gesangsharmonien unterbringt. Die beiden „Nocturne“-Cuts lassen wohlige Erinnerungen an die krautigeren Experimente wach werden. Und abgesehen von der Sprachbarriere, die sich beim abschließenden „Helian“ auftut, beschwört der Song eine dichte Atmosphäre herauf und ist damit eine würdige Widmung an Ylvisaker.

Jetzt kann man natürlich ein Fass darüber aufmachen, ob ein drittes Vollzeit-Synthie Pop-Album wirklich nötig war. „Liminal Animals“ wirkt allerdings auch nicht so sehr wie eine Wiederholung der beiden Vorgänger, sondern markiert durchaus eine wenn auch subtile Feinjustierung in Sachen Intensität, was der Platte wiederum eine ganz eigene Energie verpasst, zumal sich unsereins an den feinsinnig arrangierten Klanglandschaften so schnell nicht satthören kann. Die experimentelleren Ansätze zwischendrin bringen immer wieder Erfrischung in die Trackliste hinein und die gelungene Ylvisaker-Widmung rundet das Ganze angenehm ab. Welchen Input er hier hatte, lässt sich ohne Liner Notes zwar schwer sagen, aber möglicherweise wird es hierzu bald neue Infos geben. In jedem Falle ist „Liminal Animals“ wieder überaus gelungen.

17.12.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Ulver - Liminal Animals

  1. blackthrash sagt:

    sehr geil

    9/10