Udo Dirkschneider - My Way

Review

Kaum sind die 70 Geburtstagskerzen ausgepustet, schon präsentiert Altmeister UDO DIRKSCHNEIDER aus gegebenem Anlass ein musikalisches Resümee seines ereignisreichen Schaffens. Dass der ehemalige ACCEPT- und heutige U.D.O.-Shouter sich hierfür ausschließlich Coverversionen prominenter Songs bedient, mag auf den ersten Blick wenig originell anmuten, macht aber andererseits Sinn, da es sich um ein Kontingent von Songs handelt, die den gebürtigen Wuppertaler grundlegend inspiriert haben.

Demnach war es wohl konsequent, das Werk autobiografisch „My Way“ zu betiteln, nach jenem Song, den Frank Sinatra zum Welthit machte. Neben einer Standard-CD-Version erscheint die Scheibe auch als Doppel-LP und als Earbook mit 60-seitigem Booklet, so dass echte Fans hier aus dem Vollen schöpfen können.

UDO DIRKSCHNEIDER ist auch mit 70 kein bisschen leise

„My Way“ ist ein sehr persönliches Soloalbum eines Sängers, der nie für Innovationsaffinität bekannt war und sich stets treu blieb. Das gilt nicht zuletzt für seine eindrucksvolle Reibeisenstimme, deren Wiedererkennungswert sich wahrscheinlich bis hinter den Planetoidengürtel erstreckt. Eingespielt wurde das Werk mit bekannten Weggefährten DIRKSCHNEIDERs, z. B. Stefan Kaufmann, Peter Baltes (beide ex-ACCEPT) sowie Sohnemann Sven, der die Drums malträtiert.

Die Auswahl der 17 auf dem Silberling verewigten Coversongs gleicht einer Zeitreise, einer Dokumentation seiner einschlägigen musikalischen und persönlichen Erfahrungen in den vergangenen Jahrzehnten. Dass da einiges zusammengekommen ist, versteht sich von selbst. Schon das erste Pre-Release „We Will Rock You“ wusste zu überzeugen, inklusive eines selbstironischen Videoclips. Kein Geringerer als Sir Brian May höchstpersönlich soll voll des Lobes über DIRKSCHNEIDERs rifflastiger Interpretation des Kulthits von QUEEN gewesen sein. Wenig später erschien Appetizer Nummer zwei: „Kein Zurück“, ursprünglich von den Synthie-Poppern WOLFSHEIM. Wer das Original kennt, der weiß, dass es sich hierbei um ein düsteres, melancholisches Stück handelt, das DIRKSCHNEIDER aber sattelfest und mit feinen Gitarrensoli bestückt in eine hörenswerte Rockballade verwandelt. Interessanterweise stellt „Kein Zurück“ den ersten deutschsprachigen Song des Metal-Veteranen überhaupt dar.

Ein Querschnitt durch musikalische Leitbilder

Einseitigkeit bei der Auswahl seiner musikalischen Leitbilder kann man dem Wegbereiter des deutschen Speed Metals jedenfalls nicht vorwerfen. Natürlich ist „My Way“ primär eine Hochburg essenzieller Rock- und Metal-Klassiker wie „He’s A Woman, She’s A Man“ (SCORPIONS), „Hell Bent For Leather“ (JUDAS PRIEST), „Rock And Roll“ (LED ZEPPELIN), „No Class“ (MOTÖRHEAD), „T.N.T.“ (AC/DC) oder RAINBOWs „Man On The Silver Mountain“. Diesen Songs verpasst UDO DIRKSCHNEIDER mit seiner unverkennbaren Stimme sowie den messerscharfen Riffs einen besonderen, dennoch vertrauten Charme. Nein, auch im vermeintlichen Rentenalter hat dieser Mann absolut nichts von seinem künstlerischen Format und seinem musikalischen Talent eingebüßt.

Die Spannweite seiner Interpretationsfähigkeit offenbart sich aber auch bei den Coverversionen von „They Call It Nutbush“ (TINA TURNER), „Jealousy“ (FRANKIE MILLER) oder dem groovigen Opener „Faith Healer“ von ALEX HARVEY, einem 1982 verstorbenen britischen Rockmusiker. Als Anspieltipp taugt auch die Neuauflage des STONES-Klassikers „Paint It Black“ aus dem Jahr 1966. Geschlossen wird die 67-minütige Zusammenstellung mit dem Titelsong „My Way“, der gänzlich ohne rockige Zutaten auskommt. Vielmehr gelingt es dem Protagonisten, einiges von der atmosphärischen Emotionalität des Originals einzufangen, wobei er sich ausnahmsweise eng an die Vorlage hält. Dann schließt sich der Vorhang, jedenfalls für den Moment: Udo has left the building.

Ein solides Coveralbum für die Fangemeinde

UDO DIRKSCHNEIDER hat den passenden Moment gewählt, die musikalischen Einflüsse seines Lebenswerks wiederzubeleben und in seinem unverwechselbaren Stil zu interpretieren. Mit „My Way“ hat er dies stilvoll, aber auch gewohntermaßen ureigen und unverfälscht realisiert. Herausgekommen ist dabei ein solides Coveralbum, das zwar nicht immer auf gleichbleibendem Niveau verharrt, aber den Hörer dennoch in seinen Bann zieht und besonders die treue Fangemeinde erfreuen dürfte. Von einer routiniert heruntergeleierten Melange aus allen möglichen Vorlagen ist „My Way“ jedenfalls weit entfernt. Stattdessen ist es dem Hauptakteur gelungen, seine Handschrift zielstrebig und treffsicher aufzutragen, ohne sich zu sehr am Original entlangzuhangeln. Zudem hat „My Way“ die angenehme Nebenwirkung, sich auch wieder auf neues Material der lebenden Legende freuen zu können.

14.04.2022

Redakteur | Schwerpunkte: Classic Metal, Female Fronted Metal, Hard Rock

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