Welche Assoziationen kommen einem beim Brainstormen über das Motiv des Herbstes in den Sinn? Nach den üblichen Bildern von laubbedeckten Wäldern und dem nahenden Winter, der unwiederbringlich eine einnehmende Melancholie aufkommen lässt, kommt man wohl kaum an „October Rust“ vorbei. Trotz unterschiedlicher Meinungen zwischen anfänglicher Empörung und fanatischem Enthusiasmus lässt sich ein genereller Kanon vernehmen, der den Nachfolger zu „Bloody Kisses“ als das Beste der Brooklyner bezeichnet. Und da fängt es auch an für den Kritiker interessant zu werden. Handelt es sich hier lediglich um ein überbewertetes Mittelklasse-Album oder wirklich um ein Kleinod des Gothic Metals?
Wer die Daseinsberechtigung TYPE O NEGATIVEs aufgrund ihrer CARNIVOREschen Hardcore-/Punk-Attitüde in Songs wie „We Hate Everyone“ oder „Kill All The White People“ vom Vorgänger festgemacht hat, wird enttäuscht gewesen sein, sucht man diese doch in „October Rust“ vergeblich. Stattdessen gibt es eine zwielichtige Gratwanderung zwischen Kitsch und Romantik mit Ausnahme-Schmachtfetzen wie „Love You To Death“, und man wird den Eindruck nicht los, dass sich Peter Steele ein Jahr nach seinem Pin-Up-Versuch im US-amerikanischen „Playgirl“ eher auf die weibliche Käuferschaft verlassen hat. Auch ein Song wie „Be My Druidess“ oder das pop-lastige „My Girlfriend’s Girlfriend“ entkräften vorangegangenen Verdacht eingangs nicht. Desweiteren könnte man „October Rust“ kritisieren für die lange Spielzeit – ja, ihr habt richtig gelesen. Für die lange Spielzeit. Ich kann nicht umhin, dies zu bemängeln, da dadurch Songs wie „Die With Me“ oder „Haunted“ aufgrund ihrer repetitiv eingesetzten Refrains ins Bedeutungslose gleiten. Durch die grundlegend verhaltene und wehmütige Stimmung fehlt es leider an durchgängiger Suspense. Dafür, und an dieser Stelle kommen die Pluspunkte zu Tage, wirkt „October Rust“ konstant homogen und konzeptionell, da einen keine bösen, unpassenden Überraschungen erwarten, die den zwischen Gothic Metal und Doom angesiedelten eigenen Stil zerreißen könnte. Schon aufgrund zeitloser Songs wie eben „Love You To Death“, „Red Water (Christmas Mourning)“, „In Praise Of Bacchus“ und „Wolf Moon (Including Zoanthropic Paranoia)“ wird „October Rust“ zum Klassiker.
Auch wenn ich bezweifle, dass „October Rust“ auch bei der männlichen Käuferschaft durchgängig allgemeines Wohlgefallen erfährt, gehört es unumstößlich zu den maßgeblichen Inspirationen nachfolgender Gothic Metal-Bands. Der kommerzielle Erfolg zeugt davon. Und schon den eingangs erwähnten eigenen, unnachahmlichen Stil der sympathischen, selbstironischen Ausnahmeband garantiert, trotz Kritik, ein qualitativ hochwertiges Werk mit stimmigen hoffnungsvollen Hochs und schwärzesten Tiefen, was sich gerade zu der passenden Jahreszeit am besten entfalten kann.