Turdus Merula - Herbarium

Review

Es gibt Alben, die so begeistern, so unter die Haut gehen, dass es praktisch unmöglich ist, etwas zu schreiben, was tatsächlich als Kritik angesehen werden kann. „Herbarium“ ist für mich ein solches Werk, und deshalb könnte über diesen Zeilen auch das Wörtchen Werbung stehen, obwohl ich mich für die folgenden Lobeshudeleien dummerweise nicht habe entlohnen lassen.

TURDUS MERULA ist ein schwedisches Einfrauprojekt und hat mit vorliegendem Debüt ein Scheibchen vorgelegt, das in meinem persönlichen Black-Metal-Universum einen ähnlichen Urknall verursacht hat wie zuletzt „Dead As Dreams“. Von einem Album des Jahres zu reden wäre also völlig irrelevant, Alleinunterhalterin Dísa spielt für meinen Geschmack in einer ganz anderen Liga.

Der Auftakt „Datura Stramonium“ beginnt mit einem wunderschönen Klavierintro, dann setzen behutsam die Gitarren ein – und wenn nach drei Minuten der Sturm losbricht, muss man unter Umständen sein BM-Weltbild neu ausrichten. TURDUS MERULA verbindet die bassgewaltige Sturmfront von JOTUNSPOR oder alten AETERNUS mit der kosmischen Kälte von DARKSPACE, einer klitzekleinen Prise SUMMONING-Epik und der Urwüchsigkeit der ersten ARCKANUM-Alben, um daraus schlussendlich etwas ganz Eigenes zu erschaffen. Anders als oftmals behauptet wird, ist das Popstück „Blashyrkh (Mighty Ravendark)“ nicht die Sternstunde von IMMORTAL, nein, die Norweger hatten ihre besten fünfeinhalb Minuten in Form von „As The Eternity Opens“ – und es ist genau dieses Majestätische, dieses beruschende Gefühl von Allmacht, welches „Herbarium“ über ein volle Stunde lang vermittelt. Man möchte gleichzeitig seine geballte Faust emporstrecken und Tränen der Rührung vergießen, so mitreißend und großartig ist dieses Album.

Das Rezept von TURDUS MERULA ist eigentlich nicht sonderlich kompliziert: man nehme eine kraftvolle und unbarmherzig treibende Rhythmusfraktion, ein bisschen Keyboardnebel, mal singende, mal froststürmende, mal weinende, mal erhebend-erhabene Gitarren, dazu großzügig verhallten Kreischgesang – et voilà, fertig ist „Herbarium“. Ein durch und durch konservatives BM-Album und vielleicht auch deshalb so fantastisch – denn seien wir doch mal ehrlich: Sogenannte Progressivität ist oft peinlich, noch öfter nur Getue und fast immer ein krampfhafter Versuch, sich für einen Mangel an wirklichen Ideen zu entschuldigen. All das hat TURDUS MERULA nicht nötig, und so ist „Herbarium“ ein selbstbewusstes Stück BM geworden, tief empfundene Musik, die von großem Talent, einem Händchen für Melodien sowie Dramatik und schließlich auch von absoluter Stilsicherheit zeugt. Ein mächtiges Black-Metal-Album, an dem sich der Rest der Welt in Zukunft messen lassen muss. Und an dem er in der Regel scheitern wird.

15.11.2010
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