Trollfest - Willkommen Folk Till Drekka Fest

Review

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In deutschen Metal-Kreisen sagt man norwegischen Black-Metal-Musikern ja gerne nach, sie ließen einen gewissen Humor vermissen. Das sagen natürlich die Richtigen. Völliger Humbug, wie TrollfesT trinkfest und lautstark auf ihrer ersten Platte unter Beweis stellen, denn das Album strotzt nur so vor Ironie. Das fängt bei der eigens von der Band ersonnenen „TrollfesT Spräk“ an, einer obskuren Sprachmixtur aus diversen skandinavischen Sprachen mit Norwegisch als Hauptanteil, 1349-Tour-Deutsch (füllt im wesentlichen alle Textstellen, die mit Alkohol zu tun haben), und sicher auch der einen oder anderen Formulierung, die man keiner der geschätzten 50.000 Sprachen dieser Erde zuordnen kann. Damit ist allerdings noch nicht Schluss. Die Kapelle verschaukelt Seemannslieder, entlarvt Garm als Höllenhund mit Durst auf Christenblut, druckt statt des eigentlichen Liedtextes auch gerne 88 mal „la“ ab (wird allerdings auch so gesungen!), zettelt den ersten Trollkrieg an und tributiert Scatman John mit einer halb gekreischten und halb gegrunzten Scateinlage. In der Konsequenz führt das dann zu Songtiteln wie „Der Tag Nach-hinter“, Textstellen wie „VOFF, VOFF, VOFF, er komt nach dich ja / VOFF, VOFF, VOFF, er sollst essen dich opp!“ und Musikstücken, die je nach Bedarf schunkel-, bangkompatibel oder gerne auch mal beides sind. Die Nähe zu FINNTROLL lässt sich also nicht nur am Bandnamen, sondern vor allem an der musikalischen Ausrichtung festmachen: einfach strukturierter, stampfender melodischer Metal mit hohem Folk-Anteil, hier und da auch mal ein reines Folk-Stück. Sympathisch finde ich, dass beide Anteil auffällig sauberer voneinander getrennt sind, als man das von vergleichbaren Kollegen kennt. Die Melodie behält allerdings fast immer Oberhand, auch in den sonst sehr rhythmusbetont gespielten, tiefergestimmten Gitarren. Die Stücke sind keine billig zusammengeschusterten Restideen ausrangierter 1349-Stücke, sondern musikalisch wirklich gut durchdacht und interessant, sieht man von ein, zwei schwächeren Nummern zu Ende der Platte ab.
Wo bei FINNTROLL und Konsorten allerdings oft über weite Strecken der Synthesizer regiert, fahren TrollfesT gleich ein ganzes Arsenal an klangerzeugenden Gerätschaften auf, was für mich neben der textlichen Entdeckungsreise im Booklet einen Großteil des Reizes der CD ausmacht. Da bleibt es auch nicht bei den typischen Folk-Instrumenten wie Akustikgitarre, Fiedel, Banjo, Mandoline, Trompete oder Akkordeon – zum Einsatz ist eigentlich alles gekommen, was nicht niet- und nagelfest und somit vor ein Mikro zerrbar ist: Waschbretter, Eier, Kugelschreiber, Sägeblätter, Bierflaschen und sogar satanisches Fingerknacken haben die vier Trolle in ihren außerordentlich lebenslustigen Saufliedern untergebracht. Lebenslustig heißt allerdings mitnichten heiter, auch wenn das Ambiente öfter dem einer Trollkneipe als dem des düsteren Trollwaldes entspricht. Nicht alle, aber viele Stücke sind mitsingbar (hat bei mir schon nach dem zweiten Durchlauf eingesetzt), einige transportieren aber auch das archaisch Böse und Hinterhältige des mythologischen Trolls. Fieses Lachen, stumpfe Grunzlaute, schrille Schreie und sich überschlagender Kreischgesang machen klar, dass „Willkommen folk till drekka fest“ durchaus eine Einladung zum Saufgelage ist, allerdings zu einem Saufgelage, bei dem man damit rechnen muss, von vier riesigen, pelzigen Wüterichen verspeist zu werden.
Wer sich traut, dieses Risiko einzugehen, sich nicht selbst Humorlosigkeit vorwerfen lassen will oder wem FINNTROLL schlicht und einfach zu gehobelt erscheinen, der ist auf dem TrollfesT genau richtig.

15.04.2005

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