Trioscapes - Separate Realities

Review

Was mussten traditionsbewusste Metaller in den letzten zwanzig Jahren schon an Freveln ertragen: Metallica-Songs gespielt auf Celli, Bands, die statt Gitarren Lead-Keyboards verwenden, und sogar Combos, die das gesamte Instrumentarium durch ihre Stimmbänder zu ersetzen trachten. Und nun also ein Trio, dessen instrumentale Rocksongs neben der Rhythmusfraktion nur auf Saxophon- und Flötenklängen basieren? Glücklicherweise toben sich TRIOSCAPES von vorne herein in der Prog-Rock-Nische aus, wo man sich der Verachtung der wirklich trven Heavy-Metal-Fraktion angesichts dieser prätentiösen Intellektuellen-Mucke bereits im Vorhinein sicher sein kann.

Gerade Freunde progressiver Mucke und innovativer Bandkonzepte dürften an „Separate Realities“ hingegen ihre Freude haben. Bassist Dan Briggs (BETWEEN THE BURIED AND ME) und Drummer Matt Lynch sorgen für ein ordentliches Rhythmus-Fundament, auf dem Walter Fancourt seine fragilen Blasmusik-Frickeleien aufbaut, die im ersten Moment reichlich ungewohnt klingen, dann jedoch durchaus ihren ganz besonderen Reiz entfalten. Dabei ist das Songwriting für eine Prog-Band gar nicht sonderlich ungewöhnlich geraten. Wilde Instrumentalabfahrten bestimmen das Bild und werden mit einigen genial-schrägen Effekten aufgepeppt, die den ansonsten durchaus ernstgemeinten Songs eine humorige Note verleihen.

Obwohl ich den von TRIOSCAPES an den Tag gelegten Mut zur Innovation grundsätzlich äußerst begrüßenswert finde, kann mich „Separate Realities“ aber nicht gänzlich überzeugen. Allen guten Ansätzen zum Trotze beginnt die Scheibe zwischendurch immer wieder zu nerven. Dies liegt weniger am typisch quäkenden Klang des dominanten Saxophons, sondern eher daran, dass Walter Fancourt zu viel Zeit damit verbringt, einfach nur Skalen rauf und runter zu tröten und damit sogar die starke Groove-Basis geradezu erstickt.

TRIOSCAPES sind immer dann am besten, wenn sich die Bläser-Leads etwas zurücknehmen und ganz unprätentiös simple Melodien mit viel Raum zum Atmen präsentieren. Diese Passagen findet man in den sechs Stücken immer wieder, unter dem Strich aber einfach zu selten, um hier längerfristig bei der Stange zu bleiben. Wer auf der suche nach unkonventionellen Genre-Sounds ist, der sollte „Separate Realities“ dennoch eine Chance geben, denn spannend ist die Scheibe allemal. Auf dem gezeigten Level dürfte das Trio aber eher ein nettes Experiment bleiben und kein nachhaltiges Aufsehen erregen. So dürfte es dem traditionsbewussten Metalhead auch wesentlich weniger Mühe bereiten, TRIOSCAPES einfach zu ignorieren als im Falle aller APOCALYPTICAs oder VAN CANTOs dieser Welt.

01.05.2012
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