Nach „The Social Network“ und dem US-Remake der Stieg Larsson-Verfilmung „The Girl With The Dragon Tattoo“ ist „Gone Girl“ bereits die dritte Zusammenarbeit von Ausnahmeregisseur David Fincher, NINE INCH NAILS-Mastermind Trent Reznor und dem britischen Komponisten Atticus Ross. Für das Drama um den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg erhielten beide 2010 mit Recht den Oscar für die „Beste Filmmusik“. Auch für die eisigen Impressionen aus Larssons moralisch verkommenem Schweden funktionierten die reduziert-kalten Klangteppiche aus gleichem Hause 2011 in „The Girl With The Dragon Tattoo“ noch hervorragend, obwohl sich langsam ein Muster herauskristallisierte. Bedeutende Auszeichnungen gab es dieses Mal dann auch keine mehr.
Anno 2014 ist Fincher mit einer weiteren Romanadaption in Form des Beziehungs-Crime-Mindfucks „Gone Girl“ in den Kinos. Obwohl das Werk durchaus komische Momente hat, fügt sich natürlich auch „Gone Girl“ nahtlos in das stylisch-düstere Oeuvre des ehemaligen Werbe- und Musikvideofilmers, in dessen Filmographie sich Klassiker wie „Se7en“ und „Fight Club“ finden lassen. Für diesen Stil, daran besteht kein Zweifel, liefern Ross und Reznor zuverlässig den passenden Soundtrack. Ein HANS ZIMMER wäre hier einfach fehl am Platz.
So hält der Soundtrack von „Gone Girl“ für Kenner der beiden Vorgängerfilme sicherlich keine musikalischen Offenbarungen bereit. Wie gehabt wechseln sich zerbrechliche Klavierakkorde mir elektronischen Loops und Störgeräuschen ab, bauen sich kleine Motive zu bedrohlich dröhnenden Bergen auf – nur um urplötzlich abzubrechen und eine kalte Leere zu hinterlassen. Selbst hoffnungsvoll und fröhlich beginnende Titel wie „Sugar Storm“ verursachen ein unterschwelliges Unwohlsein, spätestens wenn zur Hälfte verzerrte Maschinengeräusche untergemischt werden. So richtig trauen kann man weder Film noch Soundtrack, wenn die ersten, aus dem Off gesprochenen Worte des Protagonisten (Ben Affleck) wie folgt lauten: „When I think of my wife, I picture cracking her lovely skull.“
Fincher-Filme und Serien („House Of Cards“) verfügen fast immer über die angesprochene, kalt-bläuliche Ästhetik und oft verstören sie. Genres vermögen diesen roten Faden scheinbar nicht zu zerreißen, denn zwischen ihnen wechselt der Regisseur gerne und oft. Würde man diesen Inszenierungsstil in musikalische Ausdrucksformen übersetzen, so käme man dem Schaffen von TRENT REZNOR & ATTICUS ROSS sicherlich recht nahe. Warum das ändern, wenn es doch weiterhin so gut passt? Dieser Soundtrack hat keinen Bombast, keine wiederkehrenden Motive, nichts Erhabenes und nichts Kitschiges. Er dekonstruiert die scheinbare Idylle, die in zu grellen, zu piekfeinen Bildern vorgeführt wird, von Beginn an und fügt dem Film damit ein wertvolles Puzzleteil bei.
Wie funktioniert das Ganze ohne Leinwand? Erstaunlich gut, obgleich es möglicherweise hilft, den Film zumindest gesehen zu haben und sich der Szenen zu erinnern. Entspannende Hintergrundmusik ist das hier sicherlich nicht. Nicht aufgrund von Lautstärkeexplosionen oder hektischen Beats, sondern wegen des verstörenden Charakters dieser Musik. Gerade dieser aber macht sie interessant und verhindert über 24 Tracks das Wegdämmern. Hinter jedem Takt lauert das Unerwartete, kurz vor dem Ausbruch überkommt einen die Stille.
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