Transatlantic - Whirld Tour 2010

Review

Eine Doppel-DVD mit lediglich 6 Stücken? Was auf den ersten Blick etwas übertrieben wird, relativiert sich schnell, wenn man bedenkt, dass es sich hier um die Prog-Supergroup TRANSATLANTIC handelt, deren letztjähriges Album „The Whirlwind“ aus dem gleichnamigen 78-minütigen Song-Epos bestand. Dieses vielschichtige Meisterwerk bildet auch den ersten Teil des dreistündigen Konzertmitschnitts aus dem Londoner „Shepherd’s Bush Empire“ vom 21. Mai 2010.
Es folgen mit „All Of The Above“, „Duel With The Devil“ und „Stranger In Your Soul“ drei weitere epische Longtracks mit jeweils rund einer halben Stunde Spielzeit, sowie mit „We All Need Some Light“ und „Bridge Across Forever“ zwei „kurze“ Stücke von achteinhalb beziehungsweise sechs Minuten Länge. Was für Freunde radiotauglicher Single-Hits ein Horror-Szenario darstellen dürfte, ist für die Prog-Gemeinde ein wahres Ohrenfest. Und andere dürften den Kauf einer TRANSATLANTIC-Live-DVD ohnehin nicht in Betracht ziehen.

Für die „Whirld Tour“ holten sich die vier Ausnahmemusiker Neal Morse (ex-SPOCK’s BEARD), Mike Portnoy (ex-DREAM THEATER), Roine Stolt (FLOWER KINGS) und Pete Trewavas (MARILLION) erneut PAIN OF SALVATION-Mastermind Daniel Gildenlöw mit ins Boot. Dieser fügt sich hervorragend ins Bandgefüge ein und bereichert mit seinem eigenen Stil die Musik des Quartetts um einige kreative Farbtupfer, während er ständig zwischen Gitarre, Keyboard, Percussion-Instrumenten und Gesang hin und her wechselt.
Doch die eigentlichen TRANSATLANTIC-Mitglieder lassen sich natürlich die Butter nicht vom Brot nehmen und brillieren allesamt an ihren jeweiligen Instrumenten wie auch am Gesangsmikro. Das Stageacting wirkt dabei genretypisch ziemlich unaffektiert und muss oftmals hinter der fehlerfreien Wiedergabe des anspruchsvollen Songmaterials zurückstehen. Dennoch merkt man allen Beteiligten – und dazu ist definitiv auch das zwischen stummer Bewunderung und begeistertem Jubel schwankende Publikum zu zählen – den Spaß an der Sache an. Hier geht es eben um die Liebe zur Musik an sich und weniger um irgendwelche begleitenden Showeffekte.

Dass die Interaktion mit dem Publikum bei allen technischen Kabinettstückchen immer vorhanden ist, zeigt sich spätestens, wenn Mike Portnoy an geeigneter Stelle kurz sein Drumkit verlässt, um einem Fan in der ersten Reihe den versehentlich im Bühnengraben gelandeten Drum-Stick hinüberzureichen. Mit solchen Momenten schafft es die DVD die ganz besondere Atmosphäre einzufangen, die auf der „Whirld Tour 2010“ herrschte, und sie perfekt wiederzugeben.
Dazu trägt neben der authentischen Klangkulisse auch die saubere Bildregie einen entscheidenen Teil bei, die immer wieder von einem Musiker zum anderen springen muss, um ihnen ganz genau auf die Finger schauen zu können. Dass dabei auf hektische Schnitte und Effekthascherei bewusst verzichtet wird, passt gut ins Konzept und ermöglicht es, die Show volle drei Stunden genießen zu können, ohne dabei unter akkuten Augenkrebs- oder Kopfschmerz-Anfällen zu leiden.

Da ein dreistündiges Konzert in entsprechend guter Bild- und Tonqualität leider nicht auf eine einzelne DVD passt, finden sich die beiden Zugaben („Bridge Across Forever“ und „Stranger In Your Soul“) auf der zweiten DVD. Dieser Bruch ist zwar schade, doch auch die erzwungene DVD-Wechsel-Pause stört den Genuss des Marathon-Konzerts nicht. Und um auch die zweite Scheibe ordentlich zu füllen, wurde diese natürlich mit einer Menge Bonusmaterial versehen.
Zunächst begleitet eine zweistündige Dokumentation die Band von den Proben an bis zum Ende der Tour und wechselt dabei Backstage-Impressionen mit kurzen Konzert-Ausschnitten, Fan-Reaktionen und On-The-Road-Szenen ab. Wie bei vielen DVDs ist das nicht wirklich zwingend, dafür aber hinreichend kurzweilig, dass man das Ganze aufmerksam bis zum Ende verfolgt und dabei den Eindruck bekommt, einen kurzen Blick auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Musiker geworfen zu haben. Da hat man von anderen Bands schon häufig wesentlich belangloseres Zeug zu sehen bekommen.
Es folgt als Bonus-Track eine qualitativ hochwertige Aufnahme vom „High Voltage Festival“ im Londoner Victoria-Park, wo man mit GENESIS-Gitarrist Steve Hackett das bereits von der Bonus-Disc des „Whirlwind“-Albums bekannte GENESIS-Cover „The Return Of The Giant Hogweed“ gespielt hat. Schließlich gibt es noch ein viertelstündiges Interview, das zwar keine spektakulären Neuigkeiten enthüllt, die Musiker aber nochmals selbst zum Album und der Tour Stellung nehmen lässt. Dabei geben sich die gutgelaunten Musiker sehr gesprächig. Der nun schon seit einigen Jahren als bekennender Christ in Erscheinung tretende Neal Morse überrascht sogar durch seinen recht humorvollen und unverkrampften Umgang mit seinem Glauben, der offensichtlich auch das ein oder andere Witzchen der Bandkollegen verträgt, ohne dasss darunter die Glaubwürdigkeit leiden muss.

In gewohnter „Inside Out“-Manier, gibt es die „Whirld Tour 2010“ auch als edles Sammler-Paket, das sowohl die beiden DVDs als auch den reinen Audio-Mitschnitt auf drei CDs enthält und in Form zweier edler Digibooks mit vielen bunten Bildern und Liner-Notes im dicken Pappschuber extrem edel daherkommt. Fans der Band bekommen mit diesem fetten DVD-Release in jedem Fall die ultimative Vollbedienung für Augen und Ohren. Bild- und Tonqualität des Haupt-Features stehen der starken Setlist in nichts nach und auch das Bonusmaterial ist so umfangreich und unterhaltsam, wie man es sich nur wünschen kann.
Alles in allem zeigt sich das wichtigste Progrock-Allstar-Projekt seit EMERSON, LAKE & PALMER hier in Höchstform, so dass zu hoffen bleibt, dass die Geschichte von TRANSATLANTIC bald fortgeschrieben werden kann. Bis dahin bleibt mir jedenfalls nichts anderes übrig, als „Whirld Tour 2010“ als perfekten Live-DVD-Release mit der Höchstnote zu bedenken.

21.11.2010

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