Trans-Siberian Orchestra - Letters From The Labyrinth

Review

Das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA ist zurück. Es schickt uns kunstvoll verschnörkelte, bunt leuchtende, 1000spurig dokumentierte „Letters From The Labyrinth“. Das Kitsch-Methadon für SAVATAGE-Junkies auf Entzug schlägt wieder zu, Paul ‚Andrew Lloyd‘ O’Neills Glitzer-Version einer Rockshow, das hochglanzpolierte Akustik-Amulett um den stolz gereckten Hals eines jeden Aufrechten Musical-Rockers. Das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA vermengt auch auf „Letters From The Labyrinth“ rechtzeitig zu Weihnachten wieder Elemente klassischer Kompositionen mit poppigen Klängen und verzerrten Riffs und tritt Coolness wie Credibility mutwillig die Kellertreppe runter, bevor es sich ohne jede Skrupel in die Gegenrichtung On Stage begibt.

Ganz ernsthaft: Unter ästhetischen Gesichtspunkten ist das alles nicht nur für Kneipen-sozialisierte Biertrinker vollkommen indiskutabel. Andererseits: Was soll’s? Als ergreifendes Guilty Pleasure geht das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA schließlich bis jetzt noch mit jeder seiner hochprofessionell dargebotenen Veröffentlichungen bei nicht eben wenigen Kuttenträgern durch.

Neun Jahre nach „Night Castle“ und einige Monate nach der Wacken-Show (mit vereinzelten SAVATAGE-Elementen) punkten O’Neill und O’Liva mit „Letters From The Labyrinth“ beim Rock-Publikum vor allem durch jene ungefähr die Hälfte des Albums ausmachenden Passagen, in denen unterschiedliche LeadsängerInnen die Stücke einigermaßen fokussiert halten und nicht alles zwischen bombastischem Kanon und Operetten-Attitüde abzusaufen droht.

Das in seiner ersten Hälfte erstaunlich geerdete „Not Dead Yet“ zum Beispiel, bei dem man anfangs gar den Bass grooven hört, profitiert vom dreckigen Gesang Russell Allens (SYMPHONY X) – und mutiert nach den ersten Minuten recht flüssig zu einem flotten Piano-Galopper. Fröhlicher Bläsereinsatz, Angeber-Gitarrensolo und Orgel-Ausritt inbegriffen. Den recht geradlinigen Heavy-Rocker „The Night Conceives“ reißt Kayla Reeves mit kraftvoller Rock-Röhre und im Refrain unterstützt von einem weiblichen Chor über den Durchschnitt. Ähnliches tut sie mit der schönen, Piano-getragenen Hymne „Not The Same“, bei der man nur vergeblich auf die emotionale Explosion wartet – aber „Believe“ gibt es halt schon. Ein großartiger Armschwenker-Ohrwurm ist wiederum das hymnisch-getragene „Forget About The Blame“. Das haben die Macher des TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA wohl ähnlich gesehen und die Nummer gleich doppelt auf „Letters From The Labyrinth“ verewigt: einmal gelungen mit dem rauen Gesang des Niederländers Robin Borneman versehen und einmal als Bonus geschmackvoll durch den rauen Gesang Lzzy Hales (HALESTORM) abgerundet. Auch Jennifer Cella und Adrienne Warren sind tolle Sängerinnen. Der wie immer famose Jeff Scott Soto darf sein voluminöses Organ allerdings nur im ordentlichen „Prometheus“ einsetzen und auch dort nur recht kurz.

Und sonst? Zitieren die Herren auf „Letters From The Labyrinth“ nicht nur Beethoven oder Mussorgsky, sondern auch sich selbst oder John Lord wie in „Prince Igor“. Na ja. Eine Platte mit Beteiligung Jon Olivas geht bei mir so oder so aus Prinzip nicht unter ’ner Sieben raus. Doch bei allem ernstgemeinten Respekt: Nach diesem pseudo-rockenden akustischen Liebesapfel geht nichts über ’ne Phon-Pommes mit Krach-Korn: Angelripper hat ja zum Glück nicht schon immer dieses verfrickelte Zeuch… ah ja, da: „Outbreak Of Evil“, reinige mein Herz…

 

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11.11.2015

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