Ganze neun Jahre hat es seit dem letzten Album „Rekonvaleszenz“ gedauert, bis sich TRÄUMEN VON AURORA nun aufmachen, einen Nachfolger zu präsentieren. Das mag einerseits am unsteten Line-Up gelegen haben, denn im Vergleich zum Jahr 2013 steht nur noch Bandkopf Patrick Wunsch im Aufgebot der Bielefelder, die sich ansonsten komplett neu aufstellen. Die andere Seite könnte sich darin begründen, dass mit „Luna & Aurora“ gleich zwei Komplementärwerke in den Startlöchern stehen, welche in ihrer Gesamtheit den Werdegang vom Winter in den Frühling musikalisch bemalen sollen.
Mit dem Opener „Nicht Alle Dunkelheit Der Welt…“ machen die Bielefelder auch nach beinahe zehn Jahren Pause gewissermaßen dort weiter, wo sie mit dem Vorgänger aufgehört haben. Die Affinität zu ausladenden Instrumentalorgien verkörperlicht sich somit bereits beim ersten Stück, das über fast neun Minuten gänzlich ohne Vocals auskommt. Obwohl – auskommen ist hier vermutlich das falsche Wort, denn trotz breitgefächerter Stimmungen unter einem postrockigen, melancholischen Grundtenor, zeigen sich bereits erste Längen.
TRÄUMEN VON AURORA produzieren auditive Theaterstücke
Leider knüpft auch das etwa 12-minütige auditive Theaterstück „Stille, Mehr Stille“ an diesen Eindruck an. Die Textpassagen werden instrumental teilweise durch vorsichtiges Klavierspiel, dann wieder durch hintergründige Saitenarbeit begleitet. In eigener Sache werden die Lyrics durch Frontmann Wunsch entweder geflüstert, manchmal poetisch vorgetragen und schließlich auch durch einen häufig unangenehmen Klargesang inszeniert. Dabei ist die Alternativstimme von Bassist und Schlagzeuger Alexander Häger zwar weniger facettenreich, dafür aber merklich gehaltvoller. Problematisch bliebt hier, dass sich durch den steten Wechsel zwischen einem Musicalgefühl im Hamburger Elbtheater und metallischen Ausbrüchen kein greifbarer Song entwickelt.
Das nachfolgende „Luna I“ ist dann eine erfreuliche Ausnahme, wird doch hier der konzeptionelle Anspruch des Albums nachvollziehbar untermauert. Der Song beginnt melancholisch, hat eine trübe Aura, baut aber über sein gesamtes Wirken sukzessive Wolken der Hoffnung auf. Diese Entwicklung ist musikalisch nicht nur im emotional gut umgesetzt, sondern wird auch dem Bildnis eines dynamischen Post-Black-Metal-Stücks gerecht. Darüber hinaus krankt der erste Titeltrack der Platte auch nicht an der fehlerhaften Punktierung des Spannungsbogens, was ebenfalls als ein Kernproblem von TRÄUMEN VON AURORA scheint. Nach hinten heraus werden die schwarzmetallischen Anteile insgesamt größer, sodass etwa in „Luna II“ und dem abschließenden „Sturmgeweiht“ auch verstärkt treibende Blasts zum Einsatz kommen, während den Stücken aber auch der klare Aufhänger fehlt.
„Luna“ ist die insgesamt rundere Platte
Nichtsdestoweniger ist „Luna“ für mich die insgesamt rundere Platte. Auch im zweiten Teil des Doppelalbums „Aurora“ gelingt es TRÄUMEN VON AURORA immerhin ziemlich zuverlässig, intendierte Stimmungen einzufangen. Schon der erneut instrumentale, aber dafür nicht allzu lange Opener verbindet Melancholie und hoffnungsvolle Melodien miteinander und lässt das Frühlingsbild der Bielefelder plausibel erscheinen. Im weiteren Verlauf wird das Album allerdings merklich verspielter und verliert sich häufiger in seinen eigenen Arrangements. Das passiert insbesondere in der zweiten Albumhälfte, wo mit „Epiphanie“, „Essenz der Wildnis“ und „…Kann Eines Lichtes Flackern Trüben“ drei ausufernde Songs warten.
Auch in der zweiten Albumhälfte gibt es immer mal wieder Lichtblicke. „Aurora II“ hat durchaus nette treibende Passagen, wenngleich sich TRÄUMEN VON AURORA generell sehr selten an klassischen schwarzmetallischen Trademarks bedienen. Auch das Eröffnungsriff von „Epiphanie“ ist ein verspielt verträumter Ausflug, den die Bielefelder im Anschluss allerdings wieder bis zum Vergessen ausufern lassen. Dieser Selbstverlust in Details wird auf „Aurora“ letztlich besonders deutlich, weshalb auch dieses Gesamtwerk „Luna & Aurora“ unterm Strich nur durchschnittlich vom Teller kommt. Nette Ansätze sind vorhanden, leider kaum zu Ende gedacht.
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