Total Negation - Zur Späten Stunde/Zeiträume
Jan Wischkowski
Inzwischen werden Bands oder Einmannprojekte, die im Entferntesten dem depressiven Black Metal nahestehen, gerne belächelt. Zurecht. Bedenkt man, wie eintönig und abgenutzt vieles aus diesem Bereich inzwischen tönt, nicht selten sogar völlig frei von musikalischem Gespür, ist es umso schwerer, die wahren Perlen zu entdecken. TOTAL NEGATION sind eine Seltenheit in diesem Genre, wobei die Schublade für das Schaffen von Wiedergaenger (der u.a. bei AURVANDIL und NACHTS mitwirkt) deutlich zu eng wäre. Das aus zwei zusammenhängenden EPs bestehende Album „Zur Späten Stunde | Zeiträume“ ist ein Beleg dafür, wie auf fast totgeglaubten Ideen musikalisch anspruchsvolles Neuland bestritten werden kann.
Dabei bewegen sich die vier Stücke von „Zur Späten Stunde“ noch in recht gewohnten Bahnen. TOTAL NEGATION schleppt sich träge dahin, nutzt geschickt und ohne zu übertreiben die Monotonie (keine einschläfernde Wirkung) und bedrückt erklingende Leads sowie dezente Keys sorgen nebst leicht psychedelischen Einschüben (z.B. in „Einzug“) für weitere großartige Momente. Spätestens ab „Geist“, welches nach dem Übergang „Freilauf“ das erste Stück der „Zeiträume“-EP ist, wird es dann wirklich experimentell. Allein die nicht nur dezent eingeflochtenen Instrumente wie eine Melodica oder ein Vibraphon wirken zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, lassen aber das gesamte Klangbild unglaublich facettenreich erscheinen. Das ist nicht nur mutig, sondern auch absolut lohnend umgesetzt. Spätestens nach ein paar Durchläufen fängt das Klangbild an sich zu entfalten, die meisten seiner Details zu offenbaren und sich zu einem sehr, sehr interessanten Gesamtkunstwerk zu entwickeln. Vor allem aber besitzt „Zu Späten Stunden | Zeiträume“ aber eine Geschlossenheit, die nur wenige Bands zu kreieren vermögen.
TOTAL NEGATION ist ein ziemlich beeindruckendes Werk gelungen, dass auch konzeptuell Hand und Fuß besitzt. Gerade im ersten Teil, welches sich mit dem Zustand kurz vor dem Einschlafen beschäftigt, das musikalisch in den absolut passendem Rahmen gerückt wird. „Zu Späten Stunden | Zeiträume“ wirkt entsprechend von vorne bis hinten durchdacht, was in vielen Fällen Vorhersehbarkeit erzeugt, wirkt bei TOTAL NEGATION gerade genial. Es ist ein Album, das durch seine Vielfalt lebt, überrascht und auch nach dutzenden Durchläufen für spannende Neuentdeckungen sorgt, ohne dabei in zu viele Richtungen gleichzeitig zu schielen. Eignet sich die erste Hälfte noch zum „Fallenlassen“ dürfte spätestens ab besagtem „Geist“ die Aufmerksamkeit auf angenehme, weil faszinierte Weise gefordert sein und das, ohne nur einen Hauch von Stimmung einzubüßen.
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